Die Stellungnahme der FWV- und CDU-Fraktion zum Aufstellungsbeschluss am Mooser Weg, Montfort Bote Nr. 50
Kommentar von E. Fendi
Der Offenen Grünen Liste folgend, haben die FWV- und CDU-Fraktion im Montfort Bote zum Thema Mooser Weg nachgelegt. Dabei stellt sich die Frage, ob die Zutaten dieses vorweihnachtlichen Leckerbissens leicht und gut verdaulich sind.

„Der Gemeinderat hat 2017 völlig zu Recht dringenden Wohnraumbedarf erkannt“.
So lautet die Einleitung der FWV/CDU-Stellungnahme – gewissermaßen die Grundsubstanz des Leckerbissens. Stimmt das, ist das richtig?
Lange Jahre wurde der Wohnraumbedarf mit dem Fortzug bauwilliger junger Menschen begründet und erneut verlautet: „In all diesen Jahren mussten Menschen fortziehen …“. (Gott sei Dank ist diesmal nicht von einem Exodus die Rede.)
Agora-LA hat mehrfach über Fort- und Zuzüge über die Gemeindegrenze, basierend auf dem Datenmaterial des Statistischen Landesamtes BW, berichtet. Zur Vervollständigung früherer Auswertungen: In den Jahren 2015 und 2016, also unmittelbar vor dem ersten Aufstellungsbeschluss 2017, sind in der Altersgruppe der 30 bis unter 40-Jährigen in 2015 mehr Personen zugezogen (plus 14) als fortgezogen; 2016 sind weniger Personen (minus 3) zugezogen als fortgezogen. Hieraus leitet sich kein Wohnraumbedarf ab. Sorry, liebe FWV/CDU: Nicht richtig erkannt.
Apropos, „Menschen mussten wegziehen“. Niemand wurde gezwungen fortzuziehen. Jeder, der fortzog, tat dies aus Gründen, die im privaten Bereich zu suchen sind. Berufliche Neuorientierung, Liebe, Heirat, Scheidung oder Tod und in einigen Fällen sicherlich auch das Fehlen eines Grundstücks, das größeres und komfortableres Wohnen verhinderte, sind die gängigen Gründe. Obdachlose junge Langenargener werden gewiss nicht wegen fehlender Baugrundstücke fortgezogen sein.
Man muss die Sache auch mal von einer anderen Seite betrachten: Zahlreiche junge Menschen bevorzugen heutzutage das Leben und Wohnen in einer größeren Stadt. Dort bedeutet bezahlbarer Wohnraum für viele junge Familien, sich mit kleinerem Wohnraum, älterer Bausubstanz oder weniger attraktiven Wohngegenden zu bescheiden. Das ist der Preis zur Verwirklichung persönlicher Bedürfnisse. Diejenigen jungen Familien, die Langenargen wegen des fehlenden Baugrundstücks verlassen, messen dem größeren und komfortableren Wohnraum an einem anderen Ort eine größere Bedeutung bei als dem Wohnen im landschaftlich schönen Langenargen in altbekannter Nachbarschaft und Geselligkeit.
In diesem Kontext sei beispielsweise an den Lehrstellenmangel der 80-/90-ger Jahre erinnert. Schulabsolventen mussten fortziehen, um den Wunschberuf in fernen Orten zu erlernen. Oder sie entschieden sich, einen anderen Beruf an ihrem Heimatort zu erlernen. Die Akademikerschwemme Anfang der 1980er Jahre führte oftmals dazu, dass studierwillige Abiturienten Berufe erlernten, die den beruflichen Aufstieg langwieriger und beschwerlicher machten. Mitte der 70er Jahre stellten viele Unternehmen keine Jungingenieure ein. Jungingenieure mussten Tätigkeiten unter ihrem Ausbildungsniveau annehmen und mit geringerer Bezahlung leben. Lehramtsstudenten/-innen waren wegen der Lehrerschwemme arbeitslos und wurden unter anderem zu EDV-Spezialisten umgeschult. Das alles ist nicht wünschenswert, spiegelt jedoch das reale Leben wider, das der Einzelne in Eigenregie bewerkstelligen muss.
Bezogen auf Langenargen bedeutet dies: Wer hier bereits wohnt und gerne in diesem Umfeld leben möchte, muss dann auch mit dem zufrieden sein, was er hat oder was es momentan gibt.
Über Begründungen und Versprechungen und die Zeitschiene seit 2018
Der Bürgerentscheid 2018 habe „mit der Begründung, es gäbe besser geeignete Flächen und Alternativen“ den Aufstellungsbeschluss gestoppt. So die FWV/CDU-Fraktion. War das die Motivation und Begründung der Befürworter des Erhalts der Streuobstwiese am Mooser Weg?
Hier hilft ein Blick in die von der Gemeinde Langenargen herausgegebene und an alle Haushalte verteilte „Information zum Bürgerentscheid am 18. März 2018“:
Die Befürworter für den Erhalt der Streuobstwiese führten folgende Argumente ins Feld: 1. Beschluss des Gemeinderates im Jahr 2000 – Erhalt des Flurstücks „Höhe“ als dauerhaft geschützter Grünbestand. 2. Es geht um die ganze „Höhe“ – kein Baurecht auf der „Höhe“. 3. Das Schutzgebiet „Höhe“ – Naturraum für Mensch, Pflanze und Tier. 4. als flankierendes Argument: „Alternativen – Wohnbau an besser geeigneten Stellen“.
Vier Gemeinderäte, Bündnis 90/Die Grünen (1) und SPD (3), plädierten für den Erhalt und gegen die Bebauung der Streuobstwiese und begründeten dies 1. mit dem Naturschutz und 2. mit der Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit von Entscheidungen des Gemeinderates.
Hinzu kamen weitere Argumente, wie beispielsweise der Verstoß gegen Europäisches Recht (FWV/CDU: „Nur für Langenargener“).Klare Sache: Es war ein Strauß verschiedener Argumente, die für den Erhalt und gegen die Bebauung der Streuobstwiese entscheidend waren.
Und damit ist klar wie Kloßbrühe: Der Bürgerentscheid stoppte den Aufstellungsbeschluss, anders als von FWV/CDU-Fraktion behauptet, nicht nur mit der Begründung, es gäbe „besser geeignete Flächen und Alternativen“.
Die FWV/CDU-Fraktion verschleiert mit ihrer Stellungnahme, wer schnelle Alternativen versprochen haben soll.Versprechungen, Zusagen, kann nur derjenige machen, der aktiv das Handlungsgeschehen gestalten kann. Das ist denkbar die Gemeindeverwaltung, erkennbar nicht die Bürgerinitiative.
Seit 4,5 Jahren habe sich „in Richtung Wohnbebauung nichts getan“, tragen FWV/CDU vor. Das kann man bedauern. In der bereits erwähnten Information zum Bürgerentscheid schrieb BM Krafft im Vorwort voller Zuversicht: „… haben wir einen sehr wertschätzenden Informationsprozess (Anmerkung: mit den Befürwortern für den Erhalt der Streuobstwiese?) erlebt, wurden bemerkenswerte Projekte und Diskussionen initiiert … schon jetzt erkennbare positive Effekte erreicht. … werden wir ergebnisunabhängig anknüpfen.“ Es ist doch davon auszugehen, dass BM Krafft die FWV/CDU über den Projektfortschritt informiert hatte.
Im Rahmen der Erarbeitung des Gemeindeentwicklungskonzept, das sich coronabedingt von 2019 bis 2021 in die Länge zog, und am Ende von FWV/CDU gelobt wurde, wurde die Notwendigkeit zur Erstellung einer Wohnraumbedarfsanalyse klar erkannt. Wieso beklagen sich FWV/CDU dann über die Prozessdauer?
Wohnraumbedarfsanalyse
Dass die FWV/CDU-Fraktion das Ergebnis einer neutralen, wissenschaftsbasierten Untersuchung nicht akzeptieren will, ist mehr als bemerkenswert. Man muss vermutlich damit rechnen, dass dieses FWV/CDU-Verhaltensmuster auch künftig in Erscheinung tritt. Gutachterliche Beauftragungen, deren Ergebnisse nach Belieben zurechtgebogen werden, kann sich die Gemeinde schenken.

Grundstücke unter Marktpreis und Bezahlbarkeit
Der vormalige CDU-Fraktionsvorsitzende, ein gelernter Volljurist, erklärte 2018 den Teilnehmern der Informationsveranstaltungen zum Bürgerentscheid Mooser Weg vollkommen richtig, dass gemäß Gemeindeordnung (§ 92) Vermögensgegenstände, wozu auch Grundstücke gehören, in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen. Anders als die FWV/CDU-Fraktion in ihrer Stellungnahme andeutet, sind gleichlautende Äußerungen der Offenen Grünen Liste völlig korrekt.
Dass die vergünstigte Überlassung von Baugrundstücken nach Europäischem Recht dann zulässig ist, wenn einkommensschwächeren und weniger begüterten Personen der örtlichen Bevölkerung der Erwerb angemessenen Wohnraums ermöglicht werden soll, ist Kommunalpolitikern aller Couleur nach 2018 bekannt und wird nicht bestritten.
Nun kritisiert die FWV/CDU-Fraktion: „Die OGL schreibt so schön, dass am Mooser Weg bezahlbarer Wohnraum für junge Familien unrealistisch sei.“
Die FWV/CDU Stellungnahme beklagt und wiederholt, was der der CDU-Fraktionsvorsitzende in der November Sitzung 2022 des Gemeinderates zutreffend darlegte: Die nahezu explodierten Material-/Herstellkosten (585 000 Euro für ein 130 m2 großes Haus), den spürbar gestiegenen Bodenrichtwert und das gegenüber 2018 höhere Zinsniveau. Zugleich schwärmen und werben FWV/CDU für das Konzept des Architektenkonsortiums Resch/Florian, das Plusenergiehäuser vorsieht. Dass Plusenergiehäuser, deren Herstellkosten durchaus 10 – 20 Prozent über denen herkömmlicher Häuser liegen und sich dadurch erst nach langen, langen Jahren amortisieren, bleibt ebenso unerwähnt, wie die dauerhaft höheren Wartungs- und Instandhaltungskosten.
Was ist daran falsch, wenn andere zusammenfassend feststellen, dass so kein bezahlbarer Wohnraum für junge (durchschnittlich verdienende) Familien entsteht?
Es bleibt der Kloß im Halse stecken und man fragt sich, in wessen Eigentum diese Grundstücke gehen sollen.

Erbbaurecht – ein viel strapaziertes Modell?
Der Präsident des Erbbaurechtsverbandes ist anderer Meinung als FWV/CDU und schreibt hier „ […] Erbbaurecht wird in Kommunen noch viel zu selten genutzt. [. . . ]“
Erfreulich, dass die FWV/CDU-Fraktion den Vorschlag der OGL in Sachen Erbbaurecht im Grundsatz aufgreift und „… das Erbpachtmodell … auch am Mooser Weg …“ in Aussicht stellt. Sollte die Bebauung des Mooser Weges Realität werden, dann sollte Erbbaurecht dort konsequent zum Tragen kommen.
Eine versalzene Suppe serviert die FWV/CDU mit dem Vortrag, dass „… man [bei Erbpacht] den Grundstückspreis nicht am Anfang, sondern über … 30 Jahre verteilt bezahlt …, und dass man für die nächsten 30 Jahre nochmals den Grundstückspreis [bezahlt]“.
Beispiel: Grundstück 200 m2, Bodenrichtwert 950 Euro/m2 macht 190 000 Euro Grundstückswert (ohne Nebenkosten). 3,7 Prozent Erbbauzins (Durchschnitt in Deutschland 2020) = 7 030 Euro im Jahr, 586 Euro monatlich.
Erbpacht: 30 Jahre * 7 030 Euro/Jahr macht 210 900 Euro
Bezahlung des Grundstücks am Anfang: bedeutet Entnahme aus der „Haushaltskasse“ 190 000 Euro, die beispielsweise in einen breitgestreuten, thesaurierenden MSCI World-ETF (Exchange Traded Fund) angelegt hätten werden können. Rentiert sich dieser ETF, vorsichtig gerechnet, mit nur 5 Prozent pro Jahr, dann sind nach 30 Jahren 820 000 Euro auf dem Konto. Das Ergebnis: Plus 630 000 Euro, die natürlich zu versteuern sind. Oder anders ausgedrückt: 630 000 Euro (vor Steuern), auf die derjenige verzichtet, der das Grundstück am Anfang cash bezahlt.
Ergebnis: Deutlicher Vorteil für den Erbpachtnehmer.
Nun haben die wenigsten jungen Leute 190 000 Euro in der Haushaltskasse und die Alternative zur Erbpacht ist ein klassisches Annuitätendarlehen. Voll finanziert, 3,5 Prozent pro Jahr in 30 Jahren getilgt, führt zu einer Annuität in Höhe von 10 330 Euro, monatlich 860 Euro. Nach 30 Jahren haben, die dann nicht mehr jungen Familien rund 310 000 Euro an die Bank überwiesen.
Geht es um Bezahlbarkeit, dann hat der Erbpachtnehmer einen 100 000 Euro geringeren Aufwand, der die Haushaltskasse monatlich spürbar entlastet.
Nachdenklich fragen die FWV/CDU-Fraktion, „Wen möchte man hierfür begeistern?“ Simple Antwort: Für die großelterliche Familie des Kommentators ermöglichte Erbbaurecht Anfang der 1950er Jahre bezahlbares Wohnen im Eigenheim mit großem Nutzgarten. Ähnliches könnte für junge Familien bei einem Erbbaurecht in der Jahnstraße möglich werden.
Wie alle Dinge im Leben, hat Erbbaurecht Vor- und Nachteile. Ein jeder muss selbst abwägen.

Schluss
Hätten die Argumente der Bebauungsbefürworter 2018 überzeugt, dann würden heute rund 20 Familien am Mooser Weg wohnen, beklagen FWV/CDU. Stimmt. Aber was würden die FWV/CDU den weiteren Bauinteressierten zugestehen? Weitere zwei Prozent der Langenargener Streuobstflächen? Oder den Uferpark, so wie es der Kulturverein im Mai 2018 scherzhaft vorgeschlagen hatte?
Nein, die Stellungnahme der FWV/CDU-Fraktion ist kein gut verdaulicher, vorweihnachtlicher Leckerbissen. Hier liegt eine zähe Weihnachtsgans mit verdorbener, vergifteter Füllung auf dem Teller.

Kommentar verfassen