Mehr als im Jahr 2015/16

Menschen-Kalkulation

“Alle Jahre wieder“- muss man sagen: Der Bericht des Integrationsmanagers Mirko Meinel, der extra für die Gemeinderatssitzung in LA am letzten Montag aufgearbeitet wurde. Warnung -der Beitrag hierzu wird länger! Also, wieder die bekannte Darstellung des Mangels an Unterkünften in LA. Meinel hatte bereits hier bei der letzten GVV- Sitzung berichtet. Dort fehlten leider einige VertreterInnen vom Gemeinderat Langenargen. Deshalb nun eine Art Nachsitzen:

So weit die nackten Zahlen, Kurven und Tabellen aus LA, die seit langem bekannt sind und immer wieder dargestellt wurden. Dies mussten dann auch die Gemeinderäte Wocher ( CDU) und Krug (CDU) feststellen und äußerten sich entsprechend. Gemeinderat Krug plädierte beispielsweise in diesem Zusammenhang für die zügige Aufstellung von Containern. 

Wie Meinel dargestellt hatte, beginnt das Dilemma dann, wenn die Hallen, in denen die ukrainischen Geflüchteten jetzt leben, aufgegeben werden müssen. Das ist der Zeitpunkt, so Meinel, an dem diese Geflüchteten nicht mehr auf die Gesamtzahl der Geflüchteten in den Kommunen angerechnet werden. Also, möglichst lange die Turn -und Festhalle halten? fragt sich ratlos der interessierte Zuhörer im Publikum. 

In der anschließenden Aussprache sprach Gemeinderätin Falch (OGL) von einer Situation mit Ansage. Es gehe um Menschen, das habe sie leider in der Präsentation des Integrationsmanagers nicht deutlich genug herausgehört. Dabei sollte der Fokus nicht allein auf angemessenem Wohnraum und Unterbringung, sondern in erster Linie auf menschlichem Handeln liegen.

Gemeinderat Schmid (SPD) erkundigte sich nach dem Stellenschlüssel der SozialarbeiterInnen. Laut Meinel sei eigentlich ein Schlüssel von einem/r SozialarbeiterIn für 90 Personen vorgegeben. Im GVV seien es 320 Personen pro Sozialarbeiter! (Ergänzung AGORA-LA: Es gibt nur zwei Sozialarbeiter im Team GVV, Mirko Meinel ist kein Sozialarbeiter)

Bürgermeister Münder verwies auf die Rahmenbedingungen dieses Aufgabenfeldes „Betreuung von Geflüchteten“und der sich daraus ergebenden möglichen Überlastung. Er räumte ein, dass nicht alle Unterkünfte für Schutzsuchende ideal seien. Gemeinderätin Köhle (OGL) warf ein, dass oft schlechte Wohnungen, die nicht den üblichen Standards auf dem „normalen“ Wohnungsmarkt entsprächen, zu überhöhten Preisen vermietet würden.

Der Fraktionsvorsitzende der OGL Ziebart erinnerte an den 2015/16 eingerichteten ehrenamtlichen Asylkreis in LA und fragte nach einer möglichen Reaktivierung. Hier gab Meinel zu bedenken, dass dies für das Integrationsmanagement möglicherweise eher zusätzliche Arbeit bedeute. Er sprach daher in seiner Wahrnehmung eher von einem „Nullsummenspiel“.

Die Fraktionsvorsitzende der FWV Porstner forderte in ihrem Redebeitrag die Verwaltung auf, mehr Werbung für das Ehrenamt zu machen. Die Kommune müsse dieses Gebiet ehrenamtlicher Tätigkeit aktiv bewerben.

Einordnung:

Ja, es stimmt- die Situation im Asylbereich in LA kommt mit Ansage. Diese nüchternen Zahlen haben wir Jahr für Jahr präsentiert bekommen. Die schlechten Unterkünfte in LA und anderswo im GVV sind seit Gründung von AGORA-LA Thema. Dass sich jetzt Gemeinderäte darüber wundern und das schnelle Aufstellen von Containern fordern,–an welchem Ort eigentlich? -wundert noch mehr. Das Thema der schlechten Unterkünfte ist tatsächlich bereits weit vor dem Bürgermeisterwechsel in LA bekannt. In welchem Zustand ein Haus am Föhrenweg oder Heckenweg war und zum Teil noch ist, dürfte intern ebenfalls schon lange kein Geheimnis gewesen sein. Es sollen hier nicht alle auf AGORA-LA behandelten Missstände erneut aufgezählt werden, ( im Blog unter dem Stichwort ASYL) aber leider ist nicht alles Schnee von gestern.

Ich erlaube mir hier meinen Gemütszustand beim Zuhören auf der Pressebank zu beschreiben, als ich die Einlassungen über die mögliche Behinderung der Arbeit des Integrationsmanagements durch Ehrenamtliche hören und mitschreiben musste.

Dort sitzt nämlich nicht nur eine Schreibende, sondern eine der wenigen ehrenamtlichen BetreuerInnen, die seit 2015 immer noch im Einsatz sind. Mir fiel förmlich der Griffel aus der Hand, als der Begriff „Nullsummenspiel“ im Zusammenhang mit der Arbeitsentlastung durch Ehrenamtliche fiel.

Es mag sein, dass man Ehrenamtliche als lästig empfindet. Warum? Weil man nachfragt? Weil man unentgeltlich hilft? Was ist das für ein Verständnis von Ehrenamt?

Ich habe mich in anderem Zusammenhang in persönlichen Gesprächen und Anschreiben an die Verwaltungen immer wieder dazu geäußert. Zuletzt beim aktuellen Verbandsvorsitzenden in Richtung Eriskirch im Zusammenhang mit dem „Panikbrief“(vgl. hier, s. dort 2.Teil) vom 12.1.2023 an die Familien, die im Status der Obdachlosigkeit in den Anschlussunterkünften leben. Mein Fazit: Es fehlt die nötige Empathie, sowohl den Geflüchteten als auch den Ehrenamtlichen gegenüber.

Weil es aber jetzt zum Abschied von Gemeinderat Pfänder (OGL) so gut passt, sei an Folgendes erinnert: Pfänder hatte sich im Sommer 2020 ins Zeug gelegt, die Baracke in der Unteren Seestraße 100/1 besucht und zu den dortigen Unterbringungsverhältnissen in der Gemeinderatssitzung im Juli 2020 mutig nachgefragt. Mit seiner Bezeichnung „menschenunwürdig“ löste er in der Sitzung erheblichen Unmut beider damaligen Verwaltungsspitze aus (vgl.hier) Seine klaren Worte werden daher im Gemeinderat fehlen.

Damit es in der Zukunft bei uns nicht so schlimm wie in dem Beitrag der gestrigen Sendung frontal 21 zu Flüchtlingsunterkünften wird, müssen diese Menschen, die in unserer Obhut leben, Zuwendung erfahren. Ich hatte den Autor der Sendung, Markus Reichert, einen Tag lang auf seiner Recherche hier in einer Gemeinde am Bodensee begleitet. Der Kontakt wurde durch den Flüchtlingsrat BW zu AGORA-LA hergestellt, die eifrige LeserInnen der Notizen aus der Provinz sind.

Es muss bei uns eine Lösung für die Unterbringung gefunden werden, wenn die Turn und- Festhalle nicht mehr zur Verfügung steht. Das Haus am Heckenweg war vor Beginn der Renovierung und ist jetzt in Teilen noch immer kaum vorzeigbar, aktuell manch andere Unterkunft auch in Kressbronn leider auch nicht. Im Heckenweg haben jahrelang Menschen in schimmeliger Umgebung mit Kindern gewohnt, bevor die Gemeinde das Haus übernommen hat. Eine Familie wohnt noch dort. Sie findet mit fünf Kindern keine Wohnung und ängstigt sich zusätzlich durch diesen Panik-Rundbrief. Sie zahlt ihre Miete selbst, hat Arbeit, bezieht keine staatlichen Gelder mehr und haben schulisch gut integrierte Kinder.

Wer kümmert sich um sie in diesem sog. „Nullsummenspiel“? Mit welchen Berechnungsmethoden, Zahlen,Tabellen und Statistiken wird Menschenwürde eigentlich bei uns kalkuliert?

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