
Die Sätze von CDU- Fraktions-Vize Carsten Linnemann, die von einer Welle der Entrüstung durch die Medien begleitet werden, sind sogar Thema beim “faktenfinder” von Tagesschau.de. Die deutsche Presseagentur (dpa) nimmt ihren dort verwendeten Begriff „Grundschulverbot“selbst zurück. Der/die Leser*in möge sich selbst ein Bild zum Stand der Diskussion anhand der angegebenen Links machen.
Wie sieht es denn nun in der Praxis wirklich aus?
Dazu sei ein Einblick in die Verhältnisse vor Ort an einem Beispiel im Bodenseekreis erlaubt:
Es geht um einen heute 6-jährigen Jungen mit Migrationshintergrund, der vor 5 Jahren mit seinen Eltern einreiste, heute einen Aufenthaltstatus hat, hier im Kindergarten wegen Auffälligkeiten in der Sprache – vermutlich auch in seiner Muttersprache- nach einer Testungen im September 2018 in den Sprachheilkindergarten überwiesen wurde. In dieser Zeit war der Junge nur geduldet, er bekam den Platz, die Kosten wurden zuvor dafür bewilligt. Im Laufe des Frühjahrs entschied das Amt für Migration plötzlich, dass der Junge wegen seiner Duldung und der damit verbundenen angeblich schlechten Bleibeperspektive keinen Anspruch mehr auf den Platz im Sprachheilkindergarten habe. Tenor der Begründung: lohnt sich ja nicht bei der Bleibeperspektive, dem Antrag in 2018 hätte gar nicht erst stattgegeben werden dürfen.
Inzwischen war der Junge, der eigentlich in diesem Jahr im September hätte eingeschult werden müssen, offiziell zurückgestellt. Wo sollte er denn dann im September hingehen? Die Eltern holten sich juristischen Beistand und legten Widerspruch ein. In der Zwischenzeit gelangte die Familie aus der Duldung heraus in einen neuen Status und bekam einen Aufenthaltstitel wegen gelungener Integration: Der Vater hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei einer renommierten Firma, der ältere Bruder ist erfolgreich in Schule und Vereinen. Mit diesem neuen Status kann der Junge nun im Sprachheilkindergarten bleiben. Dazu muss man auch wissen, dass die Plätze an Sprachheilkindergärten generell rar sind! Auch deutsche Kinder finden nur mit Mühe dort einen Platz. Diese Missstände sind seit langem bekannt, werden jedoch immer wieder kaschiert und nun auch noch durch unklare Sprache seitens Herrn Linnemann missinterpretiert! So schreibt das MIGAZIN, Migration in Germany zum Fall Linnemann:
“Bemerkenswert auch, dass insbesondere Unionspolitiker geneigt sind, den Bildungsstandort Deutschland gerne auf dem Rücken von Kindern mit Einwanderungsgeschichte zu retten versuchen, aber selten die in Deutschland besonders stark ausgeprägte Korrelation zwischen Bildungserfolg und Reichtum des Elternhauses problematisieren, obwohl sie – unabhängig von der Herkunft – viel mehr Kinder betrifft, benachteiligt und den Staat langfristig deutlich mehr kostet. “
Genauso ist es. Der immer wieder negativ gebrauchte Begriff „Flüchtlingswelle“ oder gar „Flut“ spült die Missstände einer jahrelang unterfinanzierten Bildungs-und Sozialpolitik an die Oberfläche. Es fehlen Mittel für die frühzeitige Förderung für alle Kinder aus sogenannten bildungsfernen Elternhäusern,es fehlen die Mittel für besser bezahlte Sozialarbeit, für mehr Lehrer*innen in den Eingangsklassen und die Mittel für eine funktionierende Integrationsarbeit in den Kommunen. Letzteres gilt gerade auch für Langenargen. Nicht jeder hat einen Lukas mit Lokomotive Emma als Helfer wie Jim Knopf. Die Ehrenamtlichen scheitern leider allzu oft an zu vielen falschen Signalen von so manchem Bahnhofsvorsteher!
Aber die Missstände treffen alle diese Kinder und alle diese Kinder schaffen den normalen Bildungsweg seltener, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, wenn sie aus sogenannten bildungsfernen Elternhäusern kommen! Die Vorschulförderung ist in Deutschland für alle diese Kinder mangelhaft! Deshalb findet eine Ghettoisierung aller Kinder statt, im Ghetto der Nichtteilhabenden.