als Gastbeitrag
Gerd A. Kupper
Wenn keine Leserbriefe im redaktionellen Teil des Montfortboten möglich sind, gibt es andere Veröffentlichungssorte.

Frau Angela Schneider | |
Redaktion Montfortbote | |
per Mail: redaktion @montfortbote.de | 19. Oktober 2020 |
Ihr Bericht „Gemeindeentwicklungskonzept …“ sowie Ihr Kommentar „Wunschzettel sagt noch nichts …. aus“, Seite 11 und 12, Montfortbote vom 16.Oktober 2020Offener Brief |
Sehr geehrte Frau Schneider,
da Leserbriefe im Montfortboten nicht veröffentlicht werden, wende ich mich im Rahmen eines offenen Briefes an Sie.
Sie kommentieren, dass „… die Langenargener gewohnt kritisch … [fragten]…“ und „… das Haar in der Suppe … suchten…“. Abgesehen davon, dass gerade bei einem Bürgerbeteiligungsprojekt kritisches Hinterfragen zum demokratischen Selbstverständnis gehört, hatten die Langenargener – nicht nur aus Erfahrung – auch guten Grund zu hinterfragen:
Unter der Überschrift „Gemeindeentwicklungskonzept der Gemeinde“ wird im Montfortboten vom 02.10.2020 zunächst informiert, dass das „… Gemeindeentwicklungskonzept den aktuellen Herausforderungen … begegnen …“ und dass „… damit eine Strategie für die zukünftige Entwicklung festgelegt werden… [soll]“. Dieser von der Verwaltung kommunizierte Text ist schlicht und ergreifend paradox, denn Strategien werden per definitionem zur Erreichung mittel- und langfristiger Ziele erarbeitet, wohingegen bekannte, aktuelle Herausforderungen einfach abgearbeitet werden müssen.
In der Auftaktveranstaltung am 08.10.2020 sowie im Montfortboten vom 09.10.2020 heißt es abweichend: „Langenargen 2040 – nachhaltige Gemeindeentwicklung“. Und weiter: „… Ziel ist die Erarbeitung von Handlungsfeldern und Leitlinien zur nachhaltigen Innenentwicklung. Diese strategische Planung soll bis zum Frühjahr 2021 erstellt werden“. Offensichtlich wurde in der Zwischenzeit das Thema neu, genauer und richtig überschrieben.
Alleine die beiden ungleichen Aufrufe zur Bürgerbeteiligung mussten zu unterschiedlichen Erwartungshaltungen führen, was folgerichtig kritisches Hinterfragen provoziert hat.
Anders als Sie kommentieren, betont beispielsweise die „Bertelsmann Stiftung/Allianz Vielfältige Demokratie“ hier, dass das Ergebnis der Befragung von Zufallsbürgern je nach Auswahlverfahren von hoher Repräsentativität sein kann.
In diesem Zusammenhang wies die Moderatorin auf den Unterschied von qualitativer und quantitativer Befragung/Forschung, deren Methoden sich ergänzen, hin. Allerdings wurde nicht deutlich, ob beide Methoden angewandt werden. Deshalb war der Hinweis aus dem Publikum, dass neben der Befragung von Zufallsbürgern relevante Exponenten (Architekten, Bäcker, …) zu befragen notwendig sei, richtig und wichtig.
Die Befragung der Teilnehmer der Auftaktveranstaltung ließ Themenschwerpunkte aktueller Bedürfnisse, jedoch nicht denkbare Strategieansätze zur Erreichung gesamtheitlicher, langfristiger Ziele, erkennen.
Ihr Stichwort: Professionalität. Ob Wüstenrot den sicherlich vorhandenen Methoden-Werkzeugkasten vollumfänglich, professionell einsetzen kann und die richtigen Fragen an die Teilnehmer stellen wird, hängt entscheidend von der Aufgabenstellung des Auftraggebers ab. Werden lediglich aktuelle Herausforderungen auf der Zeitschiene bis 2040 priorisiert, dann ist die Aufgabenstellung unvollständig formuliert. Aus den bisher präsentierten Charts ist nicht zu erkennen, ob das Themenfeld „Industrie, Gewerbe, Handel“ bearbeitet werden wird. Beispielsweise wäre zu fragen, ob technologische, wirtschaftliche, gesellschaftliche Veränderungen das Geschäftsmodell hier ansässiger Firmen gefährden könnten und wenn, welche Auswirkungen dies haben würde und wie Langenargen derartigen Herausforderungen begegnen könnte. Oder: Verfügen die hiesigen Unternehmen über die Fähigkeit sich permanent neu zu erfinden? Siehe auch: Untergang der Textilindustrie, der Weiße Ware-Industrie einschließlich der Zulieferfirmen, der für Kommunen gravierende, folgenreiche Strukturwandel im Ruhrgebiet und in anderen Regionen. Vergleichbares ist auch hier denkbar, wenn auch vielleicht weniger wahrscheinlich.
Die Suche nach Antworten auf strategische Fragenstellungen führt zu notwendigen mittel- und kurzfristigen Umsetzungsmaßnahmen, was im Ansatz nichts mit Wünschen der Bürger oder einem Wunschzettel, wie Sie schreiben, zu tun hat.
Damit sollte deutlich werden, dass der spontane Zuruf eines Gemeinderates, man solle Wüstenrot einfach mal machen lassen, unüberlegt und kontraproduktiv war. Die Entwicklung strategischer Ziele und operativer Maßnahmen ist komplex, zeit- und kostenintensiv. Der erste Schuss muss sitzen. Strategiearbeit ist nicht beliebig oft wiederholbar. Ist die Aufgabenstellung zu Beginn nicht umfassend formuliert und das Ergebnis des „Gemeindeentwicklungskonzeptes“ nicht verwertbar, sinkt erfahrungsgemäß die Bereitschaft sich erneut in Strategiearbeit einzubringen.
Ich hoffe und gehe davon aus, dass Ihr Kommentar keine nennenswerte dem Projekt zuwiderlaufende Wirkung entfalten wird und sich Bürger weiterhin kritisch einbringen werden.
Freundliche Grüße
Gerd Kupper
Das Haar in der Suppe?
Kommentar verfassen