Vorhang auf!

Nach langer erzwungener Abstinenz haben sie es gewagt: Die Verantwortlichen der Langenargener Festspiele mit Nadine Klante als künstlerische Leiterin und Steffen Essigbeck als Intendant waren mutig und haben erstmalig in LA einen Abendspielplan mit einem Klassiker eröffnet : Romeo und Julia von Shakespeare in der Übersetzung von Werner Buhss unter der Regie von Andreas Kloos.
Das schreibt sich so leicht dahin. Aber man bedenke, dass man für eine solches Projekt tatsächlich Mut braucht, ganz besonders in Zeiten der erzwungenen Kulturbeschränkung in der Pandemie. Diese Wahrnehmung spiegelten auch die Einführungsworte der ersten Vorsitzenden des Vereins Langenargener Festspiele e.V. Caroline Wocher wider. „Es braucht die Liebe zum Theater, um diesen Mut zu aufzubringen“, sagte sie in ihrer Einführung.

Auch Bürgermeister Münder freute sich über diesen besonderen Abend: „Herzblut und Kreativität ermöglichen dieses Wagnis. “Er selbst sei froh, dass er ein zweites Mal seit seinem Amtsantritt in Zeiten der Pandemie die seltene Gelegenheit bekäme, eine Rede vor größerem Publikum zu halten. Er wies außerdem auf die wichtige theaterpädagogische Arbeit von FLUKS an Schulen.

Auch die VertreterInnen der beiden Kirchen durften im Schatten von St.Martin nicht fehlen. Sie segneten die Veranstaltung. Der evangelische Pfarrer Mathias Eidt zitierte nicht Shakespeare, sondern griff den Satz aus der Bibel auf: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein.“ (Mt. 4,4) Dort hatte zuvor der Teufel Jesus in der Wüste aufgefordert, aus Steinen Brot zu machen.
Ein anderes Bild aus Stein lieferte das Zitat Shakespeares gleich zu Beginn der Aufführung: „Kein Hindernis aus Stein hält Liebe auf, was Liebe kann, das wagt sie auch.“ Was dann kam, war schon sehenswert: Vier SchauspielerInnen, die gleich mehrere Rollen abdeckten, in Windeseile die Rollen und Geschlechter wechselten, aus den Kostümen schlüpften und natürlich auch zwischen den Rollentexten hin und her switchen mussten. Respekt. Eine beeindruckende schauspielerische Leistung.
Die Location am See bot beste Kulisse ohne Bühnenbildner. Aus dem üppigen Gebüsch des perfekten klerikalen Kräutergartens auch noch unter dem Glockengeläut von St. Martin erschien. . . . Bruder Lorenzo.

Eine knatternde Vespa, die am Rande des Zuschauerrundes die Schauspieler mit einigen PS forttransportierte, ließ das Publikum im Moment der Verfremdung zurück.



Ja, und die Handlung? Die ist so bekannt, dass man sie nicht näher erklären muss. Das Stück macht Anleihen in der Mythologie. William Shakespeare (1564-1616) kannte nämlich seine antiken Klassiker, insbesondere Ovids Pyramus und Thisbe. Auch dort geht es um ein Liebespaar, das wegen der Feindschaft zwischen ihren Elternhäusern nicht zusammenkommen darf. Shakespeare änderte den Ovid-Text und lässt in seinem Stück Romeo unter Julias Balkon im Garten ihrer Eltern stehen. Diese berühmte Szene wurde in der Aufführung nur angedeutet und hätte eigentlich ganz gut vor die Kulisse der Schlossmauer gepasst. Aber das wäre vielleicht zu kitschig geworden.
Die Zusammenfassung der Geschehnisse liefert Shakespeare selbst im Prolog:
Zwei Häuser waren – gleich an Würdigkeit –
Hier in Verona, wo die Handlung steckt,
Durch alten Groll zu neuem Kampf bereit,
Wo Bürgerblut die Bürgerhand befleckt.
Aus dieser Feinde unheilvollem Schoß
Das Leben zweier Liebender entsprang,
Die durch ihr unglückselges Ende bloß
Im Tod begraben elterlichen Zank.
Der Hergang ihrer todgeweihten Lieb
Und der Verlauf der elterlichen Wut,
Die nur der Kinder Tod von dannen trieb,
Ist nun zwei Stunden lang der Bühne Gut;
Was dran noch fehlt, hört mit geduldgem Ohr,
Bringt hoffentlich nun unsre Müh hervor.
So kam nach langer Entbehrung kultureller Ansprache mit diesem Theaterabend unter freiem Himmel nicht nur einTheaterstück auf die Bühne, sondern auch ein Stück normalen Kulturlebens zurück. Denn der Mensch lebt zwar nicht vom Brot allein. Ohne Broterwerb jedoch gehen die Kulturschaffenden möglicherweise für immer!

Aktualisierung, 27.06.2021, 11.34 Uhr

Aktualisierung: 28.06.2021, 21.46 Uhr
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