Kleine Seepost ganz groß?

Amtliche Mitteilungen in Kressbronn

Wie großzügig! Das mögen sich die LeserInnen des amtlichen Teils der „Kleinen Seepost“ vom 12.Mai 2022 (s.hier)gedacht haben: Frei verfügbar für alle findet sich dort nämlich etwas, das man sonst nur als Abonnent gegen Bares im redaktionellen Teil der „Kleinen Seepost“ lesen kann: Den Bericht über den Frühjahrsempfang der Gemeinde Kressbronn mit der Überschrift:“ Frühjahrsempfang mit Einlagen und guten Nachrichten“. Am Ende des Artikels auf der Titelseite schreibt Ralf Schäfer, Redakteur der Schwäbischen Zeitung, dann:Zumindest dem Beifall nach zu urteilen hielten es schließlich viele Gäste auch für eine gute Nachricht, dass Daniel Enzensperger am 9. Oktober erneut als Bürgermeister kandidiert. Viel vor hat er zumindest noch in dieser Gemeinde.“

Ist das eine amtliche Bekanntmachung? Denn nur als eine solche darf sie im amtlichen Teil der kleinen Seepost und anderen Amtsblättern erscheinen. Die klare Trennung von amtlichem und redaktionellen Teil ist auch in gemeindlichen Medien ein hohes Gut. Nur so wird das Gebot der Staatsferne der Presse eingehalten. Ein Amtsblatt soll durch seine Informationen dem Verfassungsauftrag der objektiven Bürgerunterrichtung gerecht werden. Zu einem Urteil von 2018 wird hier erklärt „[. . . ] Der BGH führte aus, dass die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Kommunen zwar erlaube, ihre Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Kommunale Pressearbeit fände jedoch ihre Grenzen in der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Damit dürften Kommunen zwar amtliche Mitteilungen veröffentlichen und Bürgerinnen und Bürger über Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats unterrichten, jedoch nicht presseähnlich über das gesellschaftliche Leben in einer Gemeinde berichten. Das sei die originäre Aufgabe der Presse, die staatsfern organisiert sein müsse [. . .].” 

Die „Kleine Seepost“ ist nämlich mit ihrem amtlichen Teil ein Medium einer staatlichen Stelle, ein Ort für gesetzlich vorgeschriebene Bekanntmachungen. Dazu gehört sicherlich nicht der Bericht über den Frühjahrsempfang. Vermutlich auch nicht das „Thema der Woche“, das mit Regelmäßigkeit immer wieder im amtlichen Teil mit dem Bürgermeister als Autor behandelt wird. (vgl.hier ) Der redaktionelle Teil, in den diese Beiträge gehören, beginnt in dieser Ausgabe erst auf Seite 8 und ist natürlich nicht mehr kostenfrei für alle lesbar, weil er zur öffentlichen Presse gehört. Die Gratis-Veröffentlichung des Beitrages im amtlichen Teil wird so auf geschickte Weise einem größeren Leserkreis zugänglich.

Die auffällig mediale Präsenz des „Candidus” im Vorfeld des Bürgermeister-Wahlkampfes erreicht so mit der Bekanntgabe der Kandidatur im amtlichen Teil des Gemeindeblattes nun einen Höhepunkt, der möglicherweise alle presserechtlichen Bedenken kleinlich erscheinen lassen. 

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