Für wen?
Im Rahmen der ehrenamtlichen Betreuung mehrerer geflüchteter Familien hat sich Weihnachten Folgendes ergeben:
Es gibt einige Kinder, die das Schulzentrum in Kressbronn besuchen, weil bei ihnen ein besonderer Förderbedarf festgestellt wurde. Deren Eltern ahnten nicht, dass die Nachmittagsbetreuungskosten in Kressbronn von ihnen selbst zu tragen sind. Auch das bisher übliche Paket „Bildung und Teilhabe (BUT)“ übernimmt diese Kosten nicht, was sie nicht wussten.
So haben sie den Betreuungsvertag zu Beginn des neuen Schuljahres im September 2021 unterschrieben. Das Rathaus Kressbronn hatte vergeblich versucht, den entsprechenden monatlichen Betrag, in dem Fall 130 Euro, von ihrem Konto abzubuchen, so dass sich dann kurz vor Weihnachten in einem Fall eine Forderung von insgesamt 528,90 Euro ergab.
Was war geschehen?
Offensichtlich wurde nicht gut darüber informiert, dass man die Kosten für die Nachmittagsbetreuung in Kressbronn komplett selbst tragen muss.Wenn die betroffenen Familien darüber aufgeklärt worden wären, dass sie diese Gebühr selbst stemmen müssen, hätten sie ihr Kind nicht in die Betreuung gegeben,
Wie kann das sein?
Sollten denn nicht gerade die Kinder mit schwierigen Lebensumständen die Möglichkeit haben, möglichst lange mit Gleichaltrigen zusammen zu sein? Besonders die Kinder mit Migrationshintergrund können nachmittags ihre Deutschkenntnisse auf diese Weise verbessern. Gerade nach Corona haben sie erhebliche Defizite in der deutschen Sprache, weil sie im Lockdown keinen Kontakt außerhalb der muttersprachlichen Familie hatten.

Ich hatte Bürgermeister Enzensperger aus Kressbronn zu möglichen Ermäßigungen und Abstufungen nach Einkommen angeschrieben. Hier ist ein Auszug aus seiner Antwort zur Staffelung der Gebühren unter sozialen Gesichtspunkten vom 12.12.2022. (Der gesamte Text liegt vor)
„[. . . ] Insgesamt sind die Gebühren für die Schulbetreuung angemessen. Man muss bedenken, dass es sich um ein Zusatzangebot der Gemeinde handelt. Ein Anspruch darauf besteht nicht. Eine Staffelung nach Einkommen hat einen zu hohen Verwaltungsaufwand und würde mitunter zu einem Ausweichverhalten der hohen Gehälter führen. [. . . ]“
Wie ist diese Antwort zu verstehen? Zu hoher Verwaltungsaufwand? Und was ist unter einem „Ausweichverhalten der hohen Gehälter“ zu verstehen? Warum wird den Beziehern „hoher Gehälter“ unterstellt, dass sie falsche Angaben machen und indirekt vermutet, zu Lasten der Allgemeinheit sozusagen zu schummeln? Und ab welchem Einkommen spricht man eigentlich von einem hohen Gehalt? Immerhin speisen die BürgernInnen der Gemeinde Kressbronn mit der Einkommenssteuer aus ihren hohen Gehältern auch den Gemeindehaushalt! Welches Bild hat ein Bürgermeister von seiner Bürgerschaft, wenn er ihr Schummelei unterstellt?
Unter der befremdlichen Argumentation leiden am Ende die Bezieher von Sozialhilfe und niedriger Einkommen, wenn aus den im Schreiben genannten Gründen keine Abstufung der Gebühren seitens der Verwaltung möglich ist. Anderswo geht es doch auch. Auf Nachfrage von AGORA-LA im Rathaus LA zur Vorgehensweise bei der Betreuung wurde mitgeteilt, dass nach Vorlage der entsprechenden Gehaltsnachweise oder den Sozialhilfebescheid diese Gebühren vom Rathaus, d.h. über den Haushalt LA übernommen werden.
So hängt schulische Integration offensichtlich von der jeweiligen Kommune ab, in der ein Kind zur Schule geht. Diese Gebühren werden übrigens durch die Politik im Gemeinderat festgelegt. Welche Wertschätzung erfahren diese Kinder, deren Eltern selbst mit Mindestlohn kaum über die Runden kommen?
Es ist eine Binsenweisheit, dass Integration mit gleichen Chancen für alle Kinder im Kindergarten und Schule anfängt. Übrigens, mit allen Kindern sind auch deutsche benachteiligte Kinder gemeint. Ja, das kostet. Aber die Kosten, die durch mangelnde Sozialbetreuung und Förderung in der Jugend entstehen, sind später weit höher. Gescheiterte Schulkarrieren führen ins Nichts. Das müsste auch bis nach Kressbronn durchgedrungen sein. Zumal so manche Unterkunft in solch schlechtem Zustand ist, dass Kinder am Nachmittag dort nicht lernen können. In einem Fall in LA gab es noch nicht einmal einen Tisch in der Unterkunft. (vgl. hier)
Die Übernahme der laufenden Kosten wurde dankenswerterweise inzwischen von der Stiftung Integrationskultur in Kressbronn für ein halbes Jahr übernommen, ebenso wie die Nachforderung.
Eine Antwort aus dem Rathaus Kressbronn nach einer weiteren Nachfrage mit dem Hinweis auf das großzügige LA kam inzwischen auch: Es gäbe in Kressbronn aktuell die Möglichkeit der Kostenübernahem nicht.

Wie die Finanzierung nach dem halben Jahr Förderung durch die Stiftung läuft?
Unklar. Möglicherweise sind diese Kinder wieder zuhause in ihrem muttersprachlichen Umfeld ohne ausreichende Kontakte zu deutschen MitschülerInnen sich selbst überlassen.Aber vielleicht übernimmt nach dem Ende der Kostenübernahme durch die Stiftung das großzügige LA für seine Kinder, die bei uns gemeldet sind und in Kressbronn zur Schule gehen, die Betreuungskosten.
Liebe Nachbarn in Kressbronn, das ist keine Integration. Das nennt man Segregation oder Ausgrenzung. Und das in diesen Zeiten!

Inzwischen gab es zu allem Überfluss noch unangenehme Post (s.u.) für alle Familien, die sich seit Jahren in Anschlussunterbringungen nach Obdachlosenrecht befinden:
Bei den Familien hat dies zu Panikanrufen bei AGORA-LA geführt. Dieser Brief ist noch nicht einmal vom derzeitigen verantwortlichen Vorsitzenden des Gemeindeverwaltungsverbundes der drei Gemeinden unterschrieben. Er hat ihn jedoch mitzuverantworten. Auch wurden keine Erklärungen dazu abgegeben. Er lag einfach so im Briefkasten.
Wie schwierig selbst für Menschen ist, die seit 2015 bei uns immer noch in Anschlussunterbringungen leben und oft nicht mehr von staatlichen Hilfen abhängig sind, habe ich als langjährige Ehrenamtlerin in den letzten Monaten erfahren. VermieterInnen in unserer Gegend sind kaum bereit an diese Menschen zu vermieten. Auch nicht an Menschen, die die auf eigenen Füßen stehen und die aufgrund des Fachkräftemangels gesucht sind.
