Flagge zeigen
Der Bundespräsident und der Bundestag zeigen heute Flagge auf ihren Gebäuden. Es wird viel geschrieben, berichtet, kommentiert und eingeordnet werden. AGORA-LA hat im Laufe des vergangenen Jahres immer wieder berichtet, zu Beginn fast täglich. In diesen Tagen des Angriffs und direkt danach war ich im Rheinland. Dort hatte die Tonhalle geflaggt, um Solidarität in diesen unfassbaren Tagen mit der Ukraine zu demonstrieren. Inzwischen musste im Laufe des Jahres die ukrainische Flagge zugunsten von Konzertankündigungen weichen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Krieg vergessen wurde. Auch weil er so nah ist, Zeitenwende in jeder Hinsicht bis in jede Kommune.

Zurück am See sah man erstaunlicherweise sehr schnell Kinder in der Nachbarschaft auf der Straße mit Kreide das Gehörte zu verarbeiten, indem sie auf den Asphalt zeichneten. Offensichtlich war der russische Angriffskrieg Thema in Schule und Familie:


Man fragt sich, wie man besonders jungen Kindern Erklärungen für diese Ereignisse des vergangenen Jahres geben will. Viele sitzen im Kindergarten und in den Schulbänken neben geflüchteten Kindern aus der Ukraine. Sie, die nach deutschem und ukrainischem Lehrplan unterrichtet werden, manchmal untergebracht in Turnhallen ohne Ruhezonen, aber mit Ängsten um ihre männlichen Verwandten an der Front.
All das ist irgendwie zu schaffen. Wir haben Übung in der Versorgung von Geflüchteten, wenngleich die Integration der “Altgeflüchteten”von 2015 und deren Kinder in Schule und Ausbildung immer noch viel Kraft in allen sozialen Bereichen verlangt. Viele leben immer noch in Anschlussunterkünften in Obdachlosigkeit.
Kaum zu schaffen ist die Verarbeitung Leides der Kinder vor Ort in der Ukraine, die von Russen verschleppt wurden und deren Eltern keinen Kontakt mehr zu ihnen haben. Sie sind Teil eines Programms der Umerziehung, das seit unserer düsteren Vergangenheit aus dem „1000-jährigen Reiches“ eigentlich geächtet sein sollte. Einen Einblick in diese düsteren Machenschaften der Russen gibt das ZDF hier: „Die verschwundenen Kinder von Cherson“ Der Film von Arndt Ginzel sagt im Untertitel klar, worum es geht: Um Kriegsverbrechen.
Wenn nicht schon längst seit Butscha, dürfte es im Zusammenhang mit dem Leid der verschleppten Kinder klar sein, warum es zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich scheint, über einen Frieden zu verhandeln.
Im letzten Jahr hat AGORA-LA immer wieder wichtige Recherchen auf Plattformen wie dekoder öffentlich gemacht. Sie sind manchmal schwer zu ertragen , so wie die jüngsten Bilder vom Krieg#10 und ihre Geschichte dahinter.
Maxim Dondyuk, der das Leid in seinem Land fotografiert, schreibt: „[. . . ] Manchmal fragen mich Leute, warum ich mich entschieden habe, Kriegsfotograf zu sein. Die Wahrheit ist, dass ich keiner bin und auch nie einer sein wollte. Aber dies ist mein Land, und ich habe das Gefühl, es ist meine Pflicht, diesen historischen Moment einzufangen für die Gegenwart und für die Zukunft. Es ist sehr schwer, den Krieg zu dokumentieren, wenn er in deinem Land stattfindet, in deiner Stadt, wenn deine Freunde dabei ums Leben gekommen sind, wenn Russland deine Stadt eingenommen hat, wenn du all das siehst. Es ist völlig anders, als wenn du von einem anderen Land in einen Krieg kommst und dann wieder zurückkehrst. [. . . ]“

Ob die russische Bevölkerung eines Tages Widerstand leisten wird, wenn sie die Lügen Putins durchschaut, wenn sie wahrnimmt, wie brutal ihre Armee handelt? Dass Mörder mit Tapferkeitsorden geschmückt werden? Hier auf dekoder.
Ein blick in die Vergangenheit::
Es gibt mehrere Reden aus Radiosendungen während des Zweiten Weltkrieges, veröffentlicht von Thomas Mann an seine Landsleute über die BBC, die mir in den letzten Tagen zufällig untergekommen sind. Sie waren mir bisher nicht bekannt. Entstanden sind sie in Manns Exil in den Jahren 1940 -1945 in den USA. Der Titel: „Deutsche Hörer!“ Er hatte wohl die Hoffnung, dass genügend Deutsche verbotener Weise den Feindsender hören und ihr Widerstand endlich wachsen möge. Zu einen möglichen Frieden mit Hitler wendet er sich dort an seine deutschen Landsleute. Der amerikanische Historiker Timothy Snyder zitiert(Originally tweeted by Timothy Snyder (@TimothyDSnyder) on 21. February 2023. ihn in diesen Tagen auf Twitter und schreibt einleitend:
Thomas Mann, Rundfunkübertragung an Deutsche Hörer, März 1941, im Bezug auf “Kriegsverlängerung” und “Frieden” leider noch sehr aktuell. (Thread, 0/4):
“Den Widerstand Englands, den Beistand, den Amerika ihm leiht, brandmarken eure Führer als ‘Kriegsverlängerung’.” (Thomas Mann, 1941) 1/4
“Sie verlangen ‘Frieden’. Sie, die vom Blute des eigenen Volkes und anderer Voelker triefen, wagen es, dieses Wort in den Mund zu nehmen.” (Thomas Mann, 1941) 2/4
“Damit meinen sie: Unterwerfung, die Legalisierung ihrer Verbrechen, die Hinnahme des menschlich Unerträglichen.” (Thomas Mann, 1941) 3/4
“Aber das ist nicht möglich. Mit einem Hitler gibt es keinen Frieden, weil er des Friedens von Grund aus unfähig, und weil dieses Wort in seinem Munde nur eine schmutzige, krankhafte Lüge ist.” (Thomas Mann, 1941) 4/4
Originally tweeted by Timothy Snyder (@TimothyDSnyder) on 21. February 2023.
Der Name des Diktators der deutschen Vergangenheit und der russischen Gegenwart scheint austauschbar. Nach einem Jahr Krieg in Europa ist man immer noch fassungslos, dass die Decke der Zivilisation so dünn ist!
Kundgebungen und Mahnwachen gibt’s heute in der Region Oberschaben und Bodensee.Hier
Kommentar verfassen