Von Erntehelfern, ausländischen Saisonarbeitern und Geduldeten

Regelungen nach Gutsherrenart?

Fährt man in diesen Tagen bei uns an den umliegenden Feldern vorbei, sieht man schon die  ersten Spargelköpfe die Erde durchbrechen. Auch die Erdbeeren  blühen bereits  unter der Folie, aber es fehlen die ausländischen Erntehelfer. Nachdem diese Helfer zunächst nicht  einreisen durften und die Not  groß  war, hat nun das Landwirtschaftsministerium  zusammen  mit dem Innenministerium doch  noch Regeln gefunden, damit die dringend benötigten Helfer kommen dürfen. Die Richtlinien, die einen Arbeitsaufenthalt in Corona- Zeiten  erlauben, sind  verschärft worden und  hier  nachzulesen. Eine wichtige Regelung  betrifft die  Unterbringung der Arbeiter. „Mit Ausnahme von Familien gilt eine Zimmerbelegung mit maximal halber Kapazität. In den Unterkünften gelten strenge Hygienevorschriften, die in der jeweiligen Landessprache zur Verfügung gestellt werden.“ So heißt es in der Presseerklärung vom 2.4.2020.[ Hervorhebung AGORA] Kritisch berichtet die taz am letzten Wochenende zu dem Thema.

In diesem  Zusammenhang darf ich auf die begonnene Recherche von AGORA zu der  örtlichen Gärtnerei Knam im letzten September verweisen, die jäh durch ein verhängtes  Hausverbot seitens  des Geschäftsinhabers an AGORA abgebrochen werden musste. AGORA hatte gewagt, nach den augenscheinlich schlechten Unterbringungsmodalitäten der dortigen rumänischen Arbeiter zu fragen. Die Recherche  wurde dann von der Bloggerin Karin Burger hier wegen des ausgesprochenen Hausverbotes weitergeführt. Damals wurde schon offensichtlich, dass die Kontrollen zur Unterbringung und zum Arbeitsschutz von Erntehelfern auch ohne Corona eher dürftig waren.  Das Landratsamt Bodenseekreis als zuständige Gewerbeaufsicht hatte auf die  entsprechenden Presseanfrage zu  dem Thema nicht geantwortet.

Wenn nun seitens des Bundesministeriums für Ernährung  und Landwirtschaft gefordert wird, die  Belegungszahl  der  Räume mit  maximal halber Kapazität vorzuschreiben, fragt man sich schon, von welcher Zahl man dort wohl ausgeht. Die zuständige Gewerkschaft Bauen- Agrar-Umwelt informiert hier. Dort heißt es aktuell, dass die  Unterbringung nur in  Einzelzimmern erfolgen soll. Dies bezieht sich offensichtlich auf die  Richtlinien für die hier rekrutierten Helfer. Zwar gab es viele Rückmeldungen auf der Plattform des  Bauernverbandes zur Anwerbung einheimischer Kräfte, aber diese seien schwer einsetzbar, heißt es bei den Landwirten. Auf der Seite zur Vermittlung der ausländischen Saisonarbeiter steht zur Unterbringung der Menschen auch nur “maximal halbe Kapazität”.

Eine weitere Gruppe von Erntehelfern soll nach den neuen Bestimmungen plötzlich arbeiten dürfen: Die geduldeten Asylbewerber. Waren sie bisher mit einem  Arbeitsverbot belegt, sollen sie nun arbeiten dürfen. ProAsyl berichtet kritisch über diese Vorgehensweise. Arbeiten ja, aber dann mit einer  Beschäftigungsperspektive für die Zeit nach Corona, alles andere wäre purer Eigennutz, meint zu Recht ProAsyl.

Auch diese unsicheren Arbeitsbedingungen, die wir den ausländischen Saisonkräften zumuten, sollten in die ethischen Überlegungen zu der aktuellen Krise gehören.

Wie die Ernte über die Lieferkette z.B. aus Spanien auf der Straße zu uns kommt und welche Probleme damit in Zukunft verbunden sein werden, darüber berichtet diese Dokumentation bei ZDF Zoom.

Das waren die Informationskarten, die AGORA im letzten Jahr von der Organisation Peco e.V. zugesandt wurden.

Nachtrag: Nach erneuter Recherche zu den Vorschriften für die Einreise von ausländischen Pflegekräften nach Deutschland ergibt sich folgendes Bild, das das Deutsche Ärzteblatt am 26.3.2020 hier veröffentlicht hat. Aktuellere Informationen hat AGORA nicht gefunden.

Eine entsprechende Lösung sei zudem zwischen dem Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter­ium, dem Auswärtigen Amt und den Anbietern von Betreuungsleistungen in Deutschland konsentiert worden, heißt es in einer Pressemitteilung der Promedica Gruppe, einem Dienstleister, der unter anderem die Betreuung hilfebedürftiger Menschen in häuslicher Gemeinschaft durch osteuropäische Betreuungskräfte organisiert.

Derzeit werde die Einreise durch eine Bescheinigung für Berufspendler ermöglicht, die diese bei Ein- und Ausreisekontrollen an der deutschen Grenze vorlegen.

Danach gelten offensichtlich die Quarantänevorschriften bei der Einreise der ausländischen Pflegekräfte nicht. Warum nicht ? Eine Pflegekraft könnte den zu Pflegenden doch anstecken! Die Pflegekraft lebt mit dem Pflegebedürftigen zusammen, geht einkaufen und hat Kontakt zu dessen Familie. Warum gelten dort andere Regeln als bei ausländischen Erntehelfern? Warum werden Pflegebedürftige in Heimen so rigide abgeschottet, die zu Hause zu Pflegenden aber nicht. Vorschriften über Vorschriften, die sich täglich ändern.

Die CORONA- Verordnung beim Innenministerium ist heute am 10.April 2020 wieder geändert worden. Und noch etwas : die CORONA-Verordnung gilt bis 15.Juni 2020. Hier nachlesbar. Da weiß man Bescheid oder auch nicht, was die einzelnen Richtlinien angeht.

Aktualisierung : 10.4.2020, 15.32 Uhr

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