Muttertag der anderen Art

„Erregungskorridor“

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Gewaltfreier Widerstand hat eine lange Tradition. Klappt es mit dem Widerstand nicht über die Institutionen, so greift man zu diesen friedlichen Mitteln des Protestes und hofft es bleibt dabei gewaltfrei. Das war in 70iger Jahren vor den AKWS so, bei den Protesten gegen den Nato-Doppelbeschluss in den 80igern, gegen Stuttgart 21 oder dem Widerstand im Altdorfer Wald und anderen Baumbesetzungsaktionen

AGORA-LA hatte vor wenigen Tagen ein Telefonat mit Dr. Ingo Blechschmid, einem 32-jähriger Mathematikdozent, der an der Universität in Padua lehrt, gebürtig aus Augsburg ist und als einer der Ansprechpartner des friedlichen Widerstandes gegen den Regionalplan gilt. Er hat mir die Strategie der Schaffung von sog. „Erregungskorridoren“ erklärt.

Sie folgt den Methoden, die in Projektwerkstätten( Untertitel: Die bunte Welt von Widerstand und Utopie), eingeübt werden. Dabei geht um Aufmerksamkeit außerhalb der üblichen Wege in die Öffentlichkeit. Aktionen, die gewaltfrei organisiert werden, sollen sozusagen als „Teaser“ für Aufmerksamkeit und Erregung sorgen. Das scheint gelungen, wenn man die Berichterstattung über die unterschiedlichen Gruppierungen, die sich gegen den Regionalplan wenden, verfolgt. Dass die Pressemitteilungen der verschiedenen Gruppierungen manchmal verwirren, wurde bereits hier dargestellt. Inzwischen gibt es hier ein wenig Licht im Dickicht des Blätterwaldes der einzelnen Gruppen, die zum Aktionsbündnis zukunftsfähiger Regionalplan gehören. Sie bemühen sich, ihre Strukturen und Anliegen immer transparenter zu vermitteln. Diese Vielfalt spiegelt die Meinungen der unterschiedlichen Gruppen wider, ist daher immer subjektiv.

Die Berichterstattung der Schwäbischen Zeitung vom letzten Samstag, die nach dem Hintergrund zum Regionalplan fragt, berichtet nur einseitig. Sie lässt dort nur die im Dezember 2020 für das Amt der stellvertretenden Verbandsvorsitzenden des Regionalverbandes vorgeschlagene Nadine Kießling zu Wort kommen. Schön wäre bei einem Überblick zum Thema die Einschätzung der verschiedenen anderen MitspielerInnen gewesen. Eben auch vor allem die Macht der einzelnen Gemeinde mit ihrer Planungshoheit. Diese Eigenständigkeit bei Abstimmungen vor Ort, bei denen z.B. Gemeinderäte so lange votieren dürfen, bis es passt, fällt bei der oben genannten Berichterstattung unter den Tisch. Es kommt einseitig nur die Vertreterin des Regionalverbandes zu Wort. Die VertreterInnen im Wald nicht.

Dafür hat AGORA jedoch eine Pressemitteilung der Altdorfer Waldbesetzung von heute zum gestrigen Muttertag bekommen:

Kurzmitteilung der Altdorfer Waldbesetzung am 9.5.2021

Foto: Altdorfer Waldbesetzung (c)

Am heutigen Muttertag (9.5.2021) spannten Klimagerechtigkeitsaktivist*innen aus der Altdorfer Waldbesetzung ein Banner über die angrenzende L317: „Danke Mama. Danke Erde. Wir werden immer für euch da sein“.

„Unsere Mütter müssen derzeit ganz schön was durchmachen“, erklärt Samuel Bosch (18), einer der Aktivist*innen. Sie müssten nicht nur Sorge haben, dass beim Baumhausbau in 20 Meter Höhe ein Unfall passiert. Am meisten macht unseren Müttern unsere durchgehende Kriminalisierung seitens der Behörden und einiger Kommentator*innen zu schaffen, etwa wenn wir als ‚Berufsdemonstranten‘ tituliert werden“, erklärt Bosch.

„Dabei sind wir vor allem Schüler*innen und Azubis direkt aus der Region. Zusätzlich leben einige Student*innen und Berufstätige aus ganz Deutschland im Wald, die dank Online-Vorlesungen bzw. Home Office ihrer Arbeit nachgehen können.“ Dr. Ingo Blechschmidt (32, Mathe-Dozent an der Universität Padova), der eines der Pressetelefone der Waldbesetzungsgemeinschaft bedient, betont: „Keiner der Aktivist*innen wird für sein gesellschaftliches Engagement bezahlt. Wir jonglieren unseren ehrenamtlichen Einsatz nebst unseren anderen Verpflichtungen und beruflichen Tätigkeiten. Nur ein paar wenige widmen derzeit Klimagerechtigkeit ihre volle Aufmerksamkeit und sehen ihre Zeit im Wald als freiwilliges ökologisches Jahr zwischen Schule und weiterführender Ausbildung an. Es gibt keinen übergeordneten Verein, der die Aktivist*innen bezahlen oder leiten würde.“

„Wir werden weiterhin auf uns und auf den Alti aufpassen“, verspricht ein anderes Banner den Müttern der Waldbesetzung. Bosch: „Danke, dass ihr uns wichtige Werte vermittelt und uns zu den Menschen macht, die wir sind. Ihr verdient Anerkennung und Dank, und natürlich sollte eure wertvolle Sorgearbeit genauso entlohnt werden wie andere Arbeit auch. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass der Altdorfer Wald der friedfertige Ort bleibt, der er momentan ist, und dass der Regionalplanentwurf der Altparteien CDU und FW zukunftsfreundlich überarbeitet wird. Das ist unser Grundrecht! Wir werden uns der gewaltvollen Zerstörung des Walds und des über tausende Jahre entstandenden Bodens in den Weg stellen.“

Hinweis 

Das Banner wurde in 14 Meter Höhe angebracht, weit über dem fließenden Verkehr. Das verwendete Traversenmaterial (PP-Splitfilm-Tauwerk mit Durchmesser 14 mm) hält Belastungen von bis zu 3.000 kg stand. „Die Bannerbefestigung ist verkehrssicher“, so Bosch.

Hintergrund 

Der aktuelle Regionalplanentwurf sieht Klima- und Umweltzerstörung ungeahnten Ausmaßes vor, etwa wird das größte Straßenneubauprojekt der letzten Jahrzehnte angestrebt, mehrere Waldflächen sollen gerodet und weitere Flächen versiegelt (statt entsiegelt) werden. Der Entwurf wird vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben bestimmt, der von der CDU dominiert ist – obwohl in den Gemeinden und im Land die Grünen stärkste Kraft sind. Mehr zum Regionalplanentwurf unter https://ravensburg.klimacamp.eu/regionalplan/ und mehr zur Waldbesetzung unter https://ravensburg.klimacamp.eu/altdorfer-wald/.

KONTAKT Ingo Blechschmidt (+49 176 95110311) stellt gerne den Kontakt zu den Waldbesetzer*innen her. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das „offizielle Gruppenmeinungen“ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt soll nicht zensiert werden, sondern gleichberechtigt nebeneinander stehen. Kein Text und keine Aktion spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gutgeheißen.

Die Berichterstattung zu dem Thema ist nicht leicht, aber dafür ist AGGORA ja da. Sie meinen vielleicht: „Was hat das denn alles mit Langenargen zu tun?“ Viel. Schauen Sie sich mal die Tagesordnung und die Sitzungsvorlagen der Gemeinderatssitzung für nächste Woche hier an. Oder die AUT-Sitzung am nächsten Tag hier. (z.B. Befreiungen)

Es geht immer wieder um Flächenbebauungen ( Amselweg, s.Sitzungsvorlagen/ Umweltbericht NABU s.Anlagen), Umweltschutz und Klimaschutz (Photovoltaik)

Alles hängt mit allem zusammen. Von ganz oben bis in die Kommunen.

Aktualisierung: 11.05.2021, 6.41Uhr

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