Lasten ungleich verteilt

In einem eindrücklichen Telefonat heute signalisierte die junge Frau vom Content-Management der AGORA-Seite, die sich mit zwei Grundschulkindern im Home-Office eingezwängt in einen minutiös durchgetakteten Zeitplan mit ihrem Mann befindet- der ebenfalls im Homeoffice- nur noch völlig ermattet SOS.
Das Dilemma der seit fast siebenwöchigen Schließung von Schule und Kitas bedeute gerade für Frauen, die in Selbstständigkeit auch ohne Corona immer von zu Hause arbeiten würden, eine enorme Anstrengung, erzählt sie.
Für solche Fälle wie die oben genannten gibt es nämlich keine Notfallbetreuung, weil diese Arbeitsplätze nicht als systemrelevant gelten. Es wird davon ausgegangen, dass die Eltern und hier besonders die Frauen die Betreuung mit allem, was dazu gehört, einfach nebenher möglichst noch mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen stemmen.
Im Netz sind die Nöte dieser betroffenen Mütter und natürlich auch der Väter (eher weniger) unter den verschiedensten Links zu finden. Die Wirtschaftswoche schreibt :
“Einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zufolge haben 24 Prozent der Frauen ihre Arbeitszeit reduziert, außerdem seien es deutlich häufiger Frauen, die sich wegen der geschlossenen Kitas und Schulen vom Arbeitgeber haben freistellen lassen. „Wenn ich ein fünfjähriges Kind und einen Job habe, der Anwesenheit am Arbeitsplatz erfordert, bleibt nur die Freistellung, wenn der Partner nicht übernimmt“, sagt Bettina Kohlrausch von der Universität Paderborn, die die Studie für die Hans-Böckler-Stiftung verfasst hat“.
Es kommt hinzu, dass hier in BW seit letzter Woche in den inzwischen unübersichtlichen gewordenen Corona-Verordnungen die Möglichkeit besteht, in Fällen, in denen Kinder in schwierigen Verhältnissen (z.B. chronische psychische Krankheiten o.ä. der betreuenden Mutter oder des Vaters ) einen Anspruch auf Notbetreuung haben. In der aktuellen Verordnung heißt es [ . . . ] „Kinder, deren Kindeswohl gefährdet ist sowie Kinder, die im Haushalt einer bzw. eines Alleinerziehenden leben.“
Dafür muss allerdings erst das aufwändige und für alle Beteiligten oft schwierige Verfahren beim Jugendamt zur Kindeswohlgefährdung durchgeführt werden. Das hat AGORA in einem Gespräch mit Mitarbeitern des Familientreffs vor Ort erfahren.
Aber es fehlt auch an ganz banalen Dingen: Die Kinder, bei denen zuhause kein Computer zur Verfügung steht und deshalb nicht an Videokonferenzen der Schule teilnehmen können, sind ausgeschlossen. Es gibt 150 Euro als Unterstützung für Anschaffung eines Computers vom Sozialamt. Damit kommt man nicht weit.
Aus eigener Erfahrung und aktuellen Besuchen weiß AGORA um die schwierige Lage der Asylbewerberkinder, denen in manchen Fällen die Arbeitsanweisungen gar nicht erklärt werden können. Dazu reichen die Deutschkenntnisse der Eltern oft nicht. Diese Problematik trifft jedoch auch die Kinder, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben und die keine Hilfe vom Elternhaus bekommen können. Hier tun sich die Abgründe im Bildungssystem auf, die bereits vor Corona immer wieder zugeschüttet wurden und schon zu Beginn der Flüchtlingskrise 2015 offen zu Tage traten. Damals wurden bereits die Personallücken und die schlechte Ausstattung an Schulen sichtbar. Was ist die Lösung?
Professor Schaade vom RKI hat heute in der Pressekonferenz auf die Frage eines Journalisten, ob es nach der Eröffnung der Schulen und Kitas ähnlich wie in den Pflegeheimen eine Empfehlung gebe, flächendeckend zu testen, mit einem klaren nein beantwortet.
Auf der Homepage des Landes BW ist zu lesen, dass die Testungen ausgeweitet werden. Der Sprecher beim Landratsamt Bodenseekreis Schwarz schreibt nach einer Presseanfrage von AGORA zu den Testzahlen: „De Facto ist das Labor Gärtner in Weingarten das auch für unseren Landkreis maßgelbliche Labor, in denen Corona-Tests analysiert werden. Die allermeisten medizinische Einrichtungen und Praxen im Kreis liefern ihre Abstriche dorthin. Bislang wurden hier im Durchschnitt etwa 50 Tests aus dem Bodenseekreis ausgewertet, man hat uns im Regelbetrieb größenordnungsmäßig eine Verdopplung zugesagt, in Spitzen können es auch mehr sein.“
Also ist die Eröffnung der Einrichtungen schwierig und wird einschließlich der Pfingstferien weitere vier Wochen dauern. Bis dahin braucht es Hausbesuche zumindest bis an die Schwelle der nicht so gut betreuten Elternhäuser und Gruppenunterkünften mit Kindern in schwierigen Verhältnissen.
Und die selbständigen Elternteile im Homeoffice? Sie sollten auch ohne Probleme einen Notbetreuungsplatz bekommen. Home-Arbeitsplätze dürfen nicht automatisch die Mitbetreuung von den Kindern beinhalten! Elternarbeit ist für die Zukunft unserer Gesellschaft immer systemrelevant .

Königsdisziplin Elternarbeit
Aktualisierung:
Ergänzende Links zu dem Thema: hier . Hier finden Sie die Stellungnahme der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. zu weiteren Einschränkungen der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie mit dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2)
13.5.2020, 11.30 Uhr

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