Unterbrochen?

Es ist scheint müßig, erneut die Hintergründe der Abläufe um den Beitrag des SWR näher zu betrachten. Aber man muss doch noch einmal genauer hinschauen.
Der SWR-Beitrag sollte eigentlich die Parallele zum US-Wahlkampf aufzeigen. So sollte deutlich werden, dass man gar nicht über den großen Teich reisen muss, um spannende Wahlen zu verfolgen. Das war der Hintergrund : Das Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Kandidaten sollte beschrieben werden. Sozusagen im Nachspann des verunglückten Beitrages hat sich jedoch noch eine ganz andere Parallele zu den USA gezeigt: Das Geschichtenerzählen oder das Narrativ, das verbreitet werden soll.
Schauen wir auf die Chronologie der Ereignisse:
Am Dienstagnachmittag erscheint der Post des BM und Kanditaten Achim Krafft auf der Facebookseite „Langenargen-die Gruppe“.

Laut Auskunft des SWR hatte BM Krafft bereits vormittags mit dem Sender Kontakt gehabt, um sich beschweren. Es scheint unvorstellbar, dass er sich nicht im Rathaus bei seinen Mitarbeitern kundig gemacht hatte, bevor er seinen Post in die Gruppe gab. Er dürfte also von dem Missverständnis seiner Mitarbeiter gewusst haben.
Warum kommuniziert er das nicht in einem für einen Rathauschef adäquaten Statement? Warum erklärt er nicht aus seiner Sicht, was zu dem Missverständnis im Rathaus geführt hat und drückt sein Bedauern darüber aus? Zu einem Missverständnis gehören naturgemäß immer zwei, die sich missverstehen.
Der SWR hat aufgeklärt, der Chef des Rathauses nicht. Letzterer gibt stattdessen ein Statement in der Facebook-Gruppe ab und befeuert dort Dialoge, die manchem Twitter-Thread des abgewählten US-Präsidenten sehr nahe zu kommen scheinen. Mitglied will er dort nur als Bürger von LA sein. Diese Mitgliedschaft ist ein Spagat, die ihm mit dem Post in der Gruppe misslungen ist.
Screenshot AGORA, 3.10.2020, 19.26 Uhr
AGORA hatte zu den Vorgängen rund um die SWR-Sendung an den Kandidaten und BM Krafft mehrere Presseanfragen gerichtet, die nicht beantwortet wurden. Einige haben sich durch die Mitteilung des SWR über das Missverständnis zwischenzeitlich erledigt. AGORA hatte jedoch auch Fragen, die die Meldekette im Rathaus betreffen, wenn der Rathauschef abwesend ist. Die folgenden beiden Fragen blieben u.a.unbeantwortet:
Warum wird Ihr Statement zu der Sendung, das auf der Facebookseite „Langenargen Die Gruppe“ gestern (d.h.am 10.11.2020, Anm.AGORA) erschienen ist, nicht auf Ihrer Wahlkampfseite oder Facebookseite veröffentlicht?
Oder:
Sie geben in sozialen Netzwerken,i.e. „Langenargen -Die Gruppe“ an, an dem Drehtag des SWR im Rathaus nicht anwesend gewesen zu sein. Hatten Sie Anweisungen an Ihre Mitarbeiter*innen gegeben, wie sich diese bei Nachfragen der Medien am Tag nach der Wahl zu verhalten hätten? (Meldekette)
Der Sender hat professionell reagiert. Er hat sich auf seiner Homepage erklärt und bedauert dieses Missverständnis. Der Kandidat und Rathauschef hat sich auf einer Facebook-Gruppenseite erklärt und nichts bedauert. Er hat die 800 Mitglieder dieser Gruppe für sein Narrativ, das ihn in einer Opferrolle wirken lassen soll, benutzt. Eine Facebook-Gruppe, in die er als Bürger von LA eingetreten sein will. Diese Geschichte über seine Rolle in der Gruppe entspricht auch einem Narrativ: Das Narrativ eines Bürgermeisters, der Bürgernähe ausstrahlt. Dabei offenbart sich in der Kommunikation der Situation mit dem SWR eine Sprachlosigkeit, die das öffentliche Gegenüber sprachlos zurücklässt.

Es gibt auch noch weiteres Personal, das an diesem Erzählen von Geschichten beteiligt ist. In der Schwäbischen Zeitung schreibt Tanja Poimer in ihrem Kommentar gestern, dass Befürworter und Gegner der Bürgermeisterkandidaten mit harten Bandagen kämpfen. Sie schreibt weiter: „Wobei vor allem Achim Kraffts Gegner im Netz erstaunlich aggressiv sind.“ Wo ist das belegt? In der Facebookgruppe, wo beide Seiten durch den Post von Krafft erst recht aufgemischt werden? Was meint sie?
Damit konstruiert die dem White- House LA wohlwollende Presse gleichfalls Narrative, die verbreitet werden sollen. Der Begriff des Postfaktischen ist damit auch in LA angekommen: Fakten treten hinter den Emotionen zurück. Womit wir wieder beim US-Wahlkampf wären. Joe Biden sprach als President-elect nach dem Wahlkampf vom Heilen der Nation. Das kann vermutlich wie in den USA nur mit einem personellen Wechsel in LA gelingen.
Hoffentlich gehen die Tage bis zum Wahltag schnell vorbei. Es ist nämlich kaum noch zu ertragen, wie Bürger*innen in marktschreierischer Weise verbal auf offener Straße oder mit anonymen Pamphleten in Briefkästen attackiert werden.
Die Meldekette vom Rathaus zur Bürgerschaft ist schon lange unterbrochen.

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