Lesestoff: Teil 1 und 2

. . . es wird länger

Es fragt sich, wer das Sitzfleisch für längere Lesestunden über das Gemeindeentwicklungskonzept Langenargen 2040 hat. (auf der Homepage leider noch nicht verlinkt: Sitzungsvorlage Dezember 2021, TOP 9)

AGORA-LA hat gelesen und bietet einen Überblick zu dem wichtigen Thema Bauen und Wohnen in LA, in mehreren Häppchen an. Es werden zwei längere Happen. Also jetzt mal erst Häppchen 1:

Häppchen 1:

2019 wurde das Projekt „Gemeindeentwicklungskonzept Langenargen 2040“ durch den damaligen Bürgermeister Krafft gestartet. Im Rahmen dieses begrüßenswerten wie auch notwendigen Projektes fanden unter anderem Workshops mit der Verwaltung, dem Gemeinderat und auch interessierten Bürgern statt. 

Das durch die Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH ( Presseanfrage von 2019 dazu hier) kuratierte Ergebnis wurde im Dezember 2021 als Beschlussvorlage dem Gemeinderat vorgestellt. 

Bereits in den Vorbemerkungen wird betont, dass die „… Vorbeugung des weiteren Flächenverbrauchs…“ [Seite 1] im Vordergrund stehen muss.

Zur Bestandsaufnahme und -analyse

Anders als der Einwohnerantrag zum Mooser Weg, der heftig Bauplätze für (individuelle) Eigenheime fordert, formuliert das Gemeindeentwicklungskonzept: Durch den demografischen Wandel, der sich in ganz Deutschland vollzieht, verändern sich der Anspruch und die Nachfrage nach individuellen und zukunftsfähigen Wohnformen. Auf diese Veränderung muss die Stadtentwicklung besondere Rücksicht nehmen.“ [Seite 13]„Seit Ende 2015 bis zum Jahr 2020 ist ein leichter Rückgang der Bevölkerungszahl zu verzeichnen.“ [Seite 13]

Dieser Rückgang wird mit einem Wegzug junger Familien, unter Weglassung anderer Fakten, wie dem Zuzug junger Familien, gleichgesetzt und argumentativ ins Feld geführt.

„… in einem Zeitfenster von 2018 bis 2035 …  lässt sich erkennen, dass die Vorausrechnung eine negative Entwicklung für die Gemeinde prognostiziert. Demnach wird die Bevölkerung ohne Wanderungen bis zum Jahre 2035 voraussichtlich auf 7.032 Einwohner sinken, was einem Rückgang von ca. 9,6% entsprechen würde. Wird sich auf die Prognose der Bevölkerung mit Wanderungen bezogen, wäre der negative Rückgang deutlich geringer, auf vergleichsweise nur 7.670 Einwohner und einem prozentualen Anteil von -1,4%. “[Seite 14]

Bei einer negativen Entwicklung der Bevölkerungszahl dürfte genügend Wohnraum bereits heute zur Verfügung stehen. Denkbar ist, dass dieser Wohnraum heutigen Ansprüchen in Sachen Qualität weniger entspricht und modernisiert werden müsste, was jedoch ohne weiteren Flächenverbrauch umsetzbar ist. Will man in bevorzugter landschaftlicher Umgebung wohnen, dann ist eine heute zu klein empfundene Wohnung vielleicht das kleinere Übel.

Wird die Bevölkerungsstruktur mit Wanderung betrachtet, wird die Anzahl der unter 20 Jährigen, im Vergleich mit dem Jahr 2021 (1.318), mit einem minimalen Anstieg nahezu gleichbleiben (1.230 im Jahr 2035). Bei der Gruppe der 20-40 Jährigen … mit Wanderung bliebe die Altersgruppe annährend gleich stark vertreten wie im Jahr 2021 (1.514). … die Altersgruppe der 40-60 Jährigen [geht] mit den stärksten Schwankungen hervor. Hierbei würde die genannte Bevölkerungsgruppe ohne Wanderung von 2.172 im Jahr 2021 auf 1.526 Personen für das Jahr 2035 fallen. Bei der Altersgruppe der 60-85 Jährigen wird mit und ohne Wanderung eine Zunahme der Gruppe prognostiziert. Besonders bei der Gruppe der Menschen mit 85 und mehr Jahren nimmt der Anteil für das Jahr 2035 mit und ohne Wanderung zu. Im Jahr 2021 waren in Langenargen 285 Personen über 85 Jahre und mehr, im Jahr 2035 sollen es schon zwischen 391 und 439 Personen sein.“ [Seite 18]

Hinter dieser Feststellung steht die Tatsache, dass in dieser Altersgruppe Fort- und Zuzüge ausgeglichen sind. Für die Zuziehenden bietet Langenargen eine Perspektive und offensichtlich greifbare Alternativen. 

Daraus zeigt sich, dass der demografische Alterungsprozess sich in der Zukunft weiter fortsetzen und der Altersdurchschnitt der Bevölkerung damit weiter steigen wird. [. . .]

Und:

„[. . .] Im Hinblick darauf sollte bei weiteren Entwicklungen darauf geachtet werden, dass Planungen seniorengerecht sind.“ [Seite 19]

Zu fragen ist, welche Perspektiven und greifbaren Alternativen eine älter werdende Bevölkerung in Langenargen hat. Der Einwohnerantrag zieht dies nicht in Betracht und bei anderen Äußerungen spielt dies eher eine untergeordnete Rolle.

„ [… ] stieg mit der Bevölkerungsanzahl auch die Bevölkerungsdichte in der Gemeinde an. Von 341 EW/km2 im Jahr 1969 leben im Jahr 2019 bereits 501 EW/km2. Durch die zunehmende Bevölkerungsanzahl ist auch der Bedarf an Wohnraum in der Gemeinde gestiegen.“ [Seite 20, siehe auch Seite 13]

Zutreffender: Durch die Bereitstellung von Bauplätzen und die Errichtung von Wohnraum in der Vergangenheit stieg die Bevölkerungsanzahl und somit die Bevölkerungsdichte auf heute weit über dem Landesdurchschnitt liegende Dimensionen. ( vgl. hier )Den damit verbundenen Vorteilen, z.B. weitere Anteile an der Einkommensteuer, stehen Nachteile, wie z.B. der Verbrauch von Flächen, Zunahme des Verkehrs, etc. gegenüber. Es ist nur schwer vorstellbar, dass die Mehrheit der Langenargener bereit ist, die überwiegenden Nachteile einer weiteren Zunahme der Bevölkerungsdichte in Kauf zu nehmen.

„[. . . ] Im Kernort sowie in den Ortsteilen finden sich einige untergenutzte und modernisierungsbedürftige Gebäude, welche sowohl substanzielle als auch energetische Mängel aufweisen. Hier besteht die Möglichkeit durch umfassende Modernisierungen und Abbrüche weiteren Wohnraum zu schaffen.“ [Seite 48]

Modernisierungen – sicherlich richtig. Weiterer Wohnraum bei rückläufiger Bevölkerungsanzahl? Sicherlich nicht zwingend notwendig und insbesondere dann nicht, wenn das Ergebnis zu überdimensionierten Neubauten führt. 

Die Nachfrage nach angemessenem und bezahlbarem Wohnraum in Langenargen ist hoch.“ [Seite 48]

Schade: Als Teil der Analyse fehlt zu diesem Statement bedauerlicherweise der nachvollziehbare Faktencheck. Angemessener Wohnraum – sind Ausstattung und Wohnfläche gemeint? Ist der Wohnraum, der als unangemessen empfunden wird, am Ende eines Lebenszyklus bezahlbarer Wohnraum – ein Vergleich von Mietkosten und vorhandener Kaufkraft würden die Dimension dieser Thematik beschreiben.

„[ . . .] Die Verringerung der Neuinanspruchnahme von Flächen aus ökologischen und ökonomischen Gründen ist als wichtiges Ziel der zukünftigen Gemeindeentwicklung zu sehen..“ [Seite 48]

Eine geschützte Obstwiese kann unter diesen Aspekten nicht als Ressource Boden für Siedlungszwecke betrachtet werden.

„[. . .] Trotz des hohen Bodenwertes und der großen Nachfrage nach Wohnraum sind Leerstände, Brachflächen und untergenutzte Grundstücke im Gemeindegebiet an einigen Stellen vorhanden. [Seite 48]

Leider fehlt auch an dieser Stelle ein Beleg für die große Nachfrage.  Im Hinblick auf den zuvor fest- und dargestellten Rückgang der Bevölkerungsanzahl seit 2015 und auch für den bis 2035 prognostizierten Rückgang ist dieses Statement undifferenziert und so nicht nachvollziehbar. Die große Nachfrage kommt demnach weniger aus der Langenargener Bevölkerung sondern eher von Nicht-Langenargenern, die hierhin zuziehen oder einen Zweitwohnsitz errichten wollen. 

Zusammenfassung der städtebaulichen Analyse

Durch Zuwanderung und Bevölkerungszuwachs steigt der Bedarf nach Wohnraum weiter an.“ [Seite 50]

Nach der zuvor erarbeiteten Analyse ist diese Zusammenfassung als unzutreffend zu bezeichnen und völlig unverständlich. Katastrophal, wenn Schnellleser nur die Zusammenfassung abspeichern. 

Der nächste Teil folgt!

Häppchen 2:

Der folgende Teil des „Gemeindeentwicklungskonzeptes 2040“ beschreibt die Akteursbeteiligung:

Der im März 2020 stattgefundene Verwaltungsworkshop brachte zu den Aspekten Bauen und Wohnen durch fünf Leitfragen folgende Schwerpunktthemen (Bullet Points) hervor: „ [ . . . ] Verdichtung, bauliche Entwicklung (Demografie), Entwicklung von Wohnraum, Bebauungsplan, Schaffung von Wohnraum, junge Familien sollen nicht wegziehen müssen, kein Rückgang vor allem der jüngeren Bewohner, Baulandentwicklung, Wohnraum, Erhalt der Wohnqualität.“ [ab Seite 53]

In der ersten Gemeinderatsklausur am 2. Oktober 2020 wurden Schlagworte zum Themenblock „Bauen und Wohnen“ wie folgt notiert: „ [. . . .] Wohnraum gestalten, Siedlungsentwicklung, dichter werdende Bebauung (Nachverdichtung), Nachhaltige, maßstabsgerechte Wohnraum- entwicklung (immer mit Grünplanung); Erhalt einer abwechslungsreichen Siedlungsstruktur (Freiflächen, Grünflächen), Schaffung von (bezahlbarem) Wohnraum, Wohnraum für alle, Gemeindeeigne Wohnbaugesellschaft, Erhaltenswerde Gebäude, dafür sorgen, dass sie nicht abgerissen werden“. |ab Seite 56]

Auch in der Bürgerinformationsveranstaltung am 8. Oktober 2020 wurde zur Leitfrage 1, Teilaspekt Wohnen, wiederholend aus der Sammlung der Teilnehmerbeiträge geschrieben. Auszug:

Wohnraum Bedarfsplanung + Wohnraumschaffung, Bauen! Erwerb von Wohneigentum in den Mittelpunkt stellen, keine Fixierung auf Mietwohnungsbau, um 2. Wohnungsanteil niedrig zu halten, das muss auch anderes gehen. Begründung: Die viel zu hohen Mietpreise sind von denen, die „den Ort am Laufen halten“ nicht mehr zu leisten. Die Bevölkerungsstruktur wird sich zum Unguten verändern. Bezahlbare Wohnungen schaffen. Bezahlbare Mieten für Langenargener Bürger, Wohnraum: Bezahlbar, für Familien, Schaffung adäquaten Wohnraums (neu & moderate Nachverdichtung), Wohnbebauung, Wohnbau, Wohnen, Wohnraum, Wohnraum, Größere Wohnungen. Keine weiteren Ferien- bzw. Zweiwohnungen. Auflagen, dass Wohnungen auch bewohnt werden müssen evtl. zur Miete angeboten. Bauliche Entwicklung sollte moderat erfolgen unter Maßgabe den Charakter des Ortes zu erhalten. Keine Dominanz von Zweitwohnung. Dass die Zweitwohnungen stark begrenzt werden. Zweitwohnungen reduzieren. Reduzierung der FeWo-Dichte (Rollladen Wohnungen). Schaffung von Wohnraum für Kinder und sonstige Nachkommen einheimischer Familien. Neue Baugebiete sind zu weit vom Ortszentrum entfernt“ [ab Seite 63[

Weitere Aspekte, die genannt wurden:

Demografischer Wandel vor allem durch den Zuzug von älteren Bürgern, zunehmende Überalterung durch Zuzug der „Rentnergeneration“ und Wegzug von Familien/junge Generation, die älter werdende Einwohnerzahl, Überalterung, Viele junge Leute verlassen Langenargen“

Digitale Bürgerbeteiligung, Auswertung zum Thema „Wohnen“:

” [. . .] Von den Teilnehmenden gaben ca. 93 % an, dass sie nicht aus Langenargen wegziehen möchten. 20 Befragte haben Umzugsabsichten und nennen dafür berufliche Gründe (7 Befragte), persönliche Gründe (5 Befragte) und den Grund, dass die Wohnung nicht mehr den Ansprüchen genügt (8 Befragte).

Mit der Wohnsituation sind 52 % der Befragten sehr zufrieden oder zufrieden. 48 % der Befragten sind jedoch mit der Wohnsituation eher zufrieden oder unzufrieden. … Gründe … Am häufigsten wurde eine schlechte Internetverbindung genannt (17 % der Befragten). … (Verkehrs-) Lärm, unattraktive Straßen- und Freiflächengestaltung, fehlende öffentliche und private Stellplätze.

Auf die Frage „War es für Sie einfach angemessenen Wohnraum zu finden?“ antworteten 62 % der Teilnehmenden mit „nein“. Gründe dafür waren zu gleichen Teilen, dass der Wohnraum zu teuer oder in einem nicht mehr zeitgemäßen Zustand war und, dass das Angebot gefehlt hat.

[. . . ] Kategorie „Sonstiges“… Häufig wurde ein fehlendes Angebot für Wohneigentum angeführt. Kritisiert wurden auch die hohe Anzahl an Ferienwohnungen und Zweitwohnungen sowie eine zunehmende Verdichtung. Verstärkt wurden eine starke Verkehrsbelastung und mangelnde Verkehrsanbindungen des öffentlichen Verkehrs als Faktoren einer verringerten Wohnqualität genannt. Ebenfalls wurde die Qualität der Grünflächen im Wohnumfeld bemängelt, insbesondere ein vermehrter Pestizideinsatz auf agrarischen Flächen. Auch der Zuwachs an Touristen wird nicht gerne gesehen, besonders wenn diese mit (nächtlichem) Lärm für Unfrieden sorgen.“ [ab Seite 63]

Im Verlaufe der sogenannten Bürgerwerkstatt  21. September2021 wurde das Thema Bauen und Wohnen gleichlautend und mit gleichem Gewicht, differenziert nach Stärken, Schwächen, Zielen und Maßnahmen, wiederholt. [ab Seite 76]

Gemeinderatsklausur II 26. Oktober 2021 [Seite 85 ff.]

Im Handlungsfeld Wohnen und Arbeiten, Nahversorgung sind dies die drei höchst- bewerteten Maßnahmen:

1. Gemeindliche Grundstückspolitik, Bevorratung (11 Stimmen)

2. Neubau-/ Eigenheimgebiete ausweisen (8 Stimmen)

Angebote für Wohnraum für Senioren / alternative Wohnformen schaffen ( 8

Stimmen)

3. (Stelle in Verwaltung schaffen) Ein fester Ansprechpartner für Wohnfragen (Stimmen)

Einordnung:

Die Analyse und Bestandsaufnahme zum Themenschwerpunkt „Bauen und Wohnen“ wurde offensichtlich erst nach der sogenannten Akteursbeteiligung erarbeitet und zu Papier gebracht.

Die nüchternen Fakten des Landesamtes für Statistik zur Bevölkerungsentwicklung insgesamt und in den einzelnen Altersgruppen hätten zu anderen Erkenntnissen und zu einem anderen Diskussionsverlauf geführt, wenn sie vor der Akteursbeteiligung vorgestellt worden wären.

Natürlich kann man zu Beginn die Akteure befragen, „wo der Schuh drückt“ und so unbefangen verschiedene Schuhmodelle sammeln. Allerdings muss klar sein, dass die Sammlung im Kern die subjektiven Wahrnehmungen der Akteure beinhaltet und deshalb nicht unbedingt mit der objektiven Situation harmoniert.

Jetzt bleibt den beteiligten Bürgerakteuren nichts anders übrig, als im Selbststudium die Analyse und Bestandsaufnahme mit der eigenen Meinung abzugleichen und auch anzupassen. Die, die das nicht tun, werden kein Verständnis haben, wenn ihre subjektiven Eindrücke nicht zu den erwarteten Entscheidungen führen. 

Weitere Aufklärung ist dennoch von Nöten, zeigen doch die Analysen, dass Schlagworte wie Zuzug der Rentnergeneration, Wegzug junger Familien o.ä. so nicht haltbar sind und richtiggestellt werden müssen. 

In Zusammenhang mit dem Einwohnerantrag „Mooserweg“, der durch den Architekten Resch initiiert und im weiteren Verlauf durch den Langenargener CDU-Lokalpolitiker und Architekten Florian geboostert wurde, liefern die Analyse und die Bestandsaufnahme des Gemeindeentwicklungskonzeptes für den Teilaspekt „Wohnen und Bauen“ belastbare Fakten, die den Einwohnerantrag nicht stützen. Daran ändert auch die unzutreffende und falsche Zusammenfassung der Analyse, „Durch Zuwanderung und Bevölkerungszuwachs steigt der Bedarf nach Wohnraum weiter an.“ (S.50) nichts. Das schmälert nur die Qualität des Gesamtkonzeptes. Festgestellt wird richtigerweise, dass es eine Bedarfsanalyse zum Wohnen in LA (S.88ff.) geben muss.

Aktualisierung, 8.01.2022, 14.03 Uhr

Zum gedanklichen Abkühlen: Heute 3-Königsschwimmen in LA

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