Was ist das denn?

Onlinemedien haben keinen Pressstatus?

Ein spektakuläres Urteil, das das Berliner Verwaltungsgericht da unlängst gesprochen hat. Kurzgefasst: Als Presse gilt nur, wer auf Papier druckt!!! Das musste das Online-Portal„ FagDenStaat“ jetzt erfahren. Sie haben prompt reagiert und eine Papierausgabe als Extrablatt gedruckt. Sie schreiben in ihrem Newsletter: 

„ [. . . ] Eine der ersten Empfängerinnen unserer Zeitung war das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Dort haben wir das FragDenStaat Druckerzeugnis bereits am Mittwochmorgen unter die Leute gebracht. Und zwar so, wie es sich für ein Medienverständnis aus dem vorigen Jahrhundert gehört: mit messingfarbener Flüstertüte und Zeitungsjunge mit Kappe.
Angefangen hat alles mit einem Eilantrag, den wir im März vor Gericht eingereicht hatten. Das Bundeskanzleramt wollte uns nicht beantworten, welche Lobby-Termine Gerhard Schröder durch sein steuerfinanziertes Altkanzler-Büro organisieren ließ. Dabei sind Behörden verpflichtet, der Presse Auskunft zu geben.

Das Verwaltungsgericht lehnte unseren Antrag ab, ohne dabei auf inhaltliche Fragen einzugehen. Auf die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit könnten sich nur Journalist:innen berufen, “die für Medien in Form von Druckerzeugnissen, mit anderen Worten für Presseorgane, tätig sind”, so die Argumentation. ( Hervorhebung AGORA-LA)

Das lassen wir nicht auf uns sitzen. Dieser Rechtsstreit ist wichtig für den gesamten Journalismus. Deshalb haben wir unsere besten Texte zusammengesucht, ein Layout entworfen, das den Zeitgeist dieser veralteten Rechtsprechung widerspiegelt und FragDenStaat.de ausgedruckt. Damit dürfte die Argumentation des Gerichts ins Leere laufen. [. . .]“

Das Gericht erkennt also Onlinemedien nicht als Presse an? Oha! Das Portal 

Übermedien, das regelmäßig über die eigene Branche schreibt, zitiert hier aus dem Urteil:

Vertreter der Presse, ist nur, wer deren vom Gewährleistungsauftrag des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasste Funktion für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess, mithin deren Informations- und Kommunikationsfunktion, wahrnimmt. Dieser Funktionsbezug setzt u.a. voraus, dass der Betreffende bezüglich der Publikation eines Druckerzeugnisses tätig ist; der Schutz der Pressefreiheit knüpft nach Maßgabe des weiten und formalen Pressebegriffs an das sächliche Substrat einer Publikation in gedruckter und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form an.

Der Antragsteller hat nicht, insbesondere nicht ausdrücklich behauptet, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass er bezüglich der Publikation eines Druckerzeugnisses – welches? – tätig ist. Nach eigenem Vorbringen ist der Antragsteller vielmehr für ein Internetangebot tätig. […] Unter diesen Umständen besagt und belegt auch der Presseausweis, der dem Antragsteller ausgestellt und in Kopie vorgelegt wurde, trotz seiner Bezeichnung nicht, dass der Antragsteller bezüglich der Publikation eines Druckerzeugnisses tätig ist, zumal ein Presseausweis der dem Antragsteller ausgestellten Art nicht nur Journalisten, die für Medien in Form von Druckerzeugnissen, mit anderen Worten für Presseorgane, tätig sind, sondern allen hauptberuflich tätigen Journalisten ausgestellt werden kann.“ 

Übermedien zitiert hier auch die Kritik des Deutschen Journalistenverbandes durch seinen Sprecher Hendrik Zörner zu dem Urteil: „Das Gericht wendet einen Medienbegriff aus dem 19. Jahrhundert an. Die Pressefreiheit wie auch alle Rechte von Journalistinnen und Journalisten, die sich daraus ableiten, bezieht sich nicht nur auf gedruckte Medien. Online-Portale gehören selbstverständlich auch zu den Medien, und zwar mit allen Rechten, nicht als lästige Anhängsel. Es ist zu hoffen, dass das Gericht im Hauptsacheverfahren anders entscheidet [. . . ]“ 

Ebenso nimmt sich der SWR des so wichtigen Themas an. Hier.

Diese Unglaublichkeit ist erklärbar: Es gibt scheinbar keine Klarheit darüber, welche mediale Rolle das Internet als Veröffentlichkeitsort eigentlich spielt.

Nochmals Übermedien: „[. . . ]Für reine Telemedienangebote, also auch für Webseiten, gibt es noch keine abschließende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Daher hat das in erster Instanz urteilende Berliner Verwaltungsgericht im Eilverfahren nur geprüft, ob es sich bei „FragDenStaat“ um Zeitung oder Rundfunk handelt – beides verneint – und den Eilantrag verworfen. [. . . ]“ 

Willkommen in Deutschland des Rückschritts! Sie werden nun fragen, ob AGORA-LA zukünftig auch in Papierform erscheinen wird. Nein, zu teuer. 

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