Aufbruch in die Moderne 

Streifzüge durch die Geschichte Langenargens 

Der Sitzungssaal im Rathaus war bis auf den letzten Stuhl besetzt. Etwas mehr als eine Stunde dauerte der Ritt durch die Geschichte Langenargens bis zum ersten Weltkrieg. Die Kreisarchivarin Dr. Eveline Dargel nahm ihre Zuhörerschaft mit durch das so genannte„ lange 19.Jahrhundert“.

Frau Dr. Eveline Dargel

Es beschreibt die Zeitspanne der Französischen Revolution von 1789, die die Vorherrschaft die Vorherrschaft des Adels beendete, bis zum Beginn des ersten Weltkrieges 1914: Dazwischen musste man sich noch im Jahre 1816 mit ungewöhnlicher Kälte durch den Ausbruch eines Vulkans in Indonesien mit der schlimmsten Hungersnot des 19. Jahrhunderts auseinandersetzen. Es war das Jahr ohne Sommer. Langenargen erlebte Umbrüche. Aber bereits um 1900 gab es in LA Bahnanschlüsse, regen Schiffsverkehr, Fabriken und sogar vereinzelt Telefone.

Um die Ecke fotografiert: Telefonanschlüsse von 1924 in LA

Mit dem letzten Herrschaftswechsel 1810 nach dem Staatsbankrott der Grafen Montfort kam Langenargen zunächst an den Hauptgläubiger Österreich, 1805 nach Bayern und schließlich nach Württemberg. Frau Dr. Dargel schlug dann den Bogen über die 1818/19/22 von König Wilhelm I. erlassenen Edikte zur heute noch bestehenden kommunalen Selbstverwaltung.( vgl. hier) Wählen durften längst noch nicht alle: Nur Männer über 25 mit Grundbesitz, Frauen natürlich nicht. 

So hieß es seitens des Oberamtes Tettnang, dass es den Finanzen Langenargen recht gut ging, jedoch war LA durchaus keine „heile Welt“, wenngleich die Gestalt des Ortes vom Chronisten als Obstgarten beschrieben wird, so Frau Dr. Dargel. Es gab eine spezielle soziale Gliederung: Kleinbürger und Tagelöhner. Wirtschaftliche Not durch Bevölkerungsanstieg und geringere Sterblichkeit führten zur Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Niedergang des Ortes. Markt-und Stadtrechte hatte Langenargen unter der Herrschaft der Württemberger längst verloren. Aber auch politische Gründe im Zuge der 48-iger Revolution zwangen zur Emigration nach Amerika, darunter auch Dr. Wilhelm Kröner, der erste praktische Arzt Langenargens. 250 Einwohner des Ortes wanderten damals aus. 

Trotzdem gilt der berühmte von der Droste -Hülshoff bereits 1842 an ihren Freund Levin Schücking geäußerte verklärende Spruch: „Versäume ja Langenargen nicht“ als der Ursprung des Fremdenverkehrs in Langenargen. Die Vermietung von Fremdenzimmern entwickelte sich zu einem lukrativen Nebenerwerb. Die Dampfschifffahrt überholte die Segelschiffe, Bahnanschluss und der Bau der Kabelhängebrücke 1897 eröffneten den Weg in die Moderne.

Im Laufe der Jahre siedelten sich Betriebe an, z.B. die Essigfabrik Bass und Keller. Es gab eine Parkettfabrik. Auch der bereits unter den Grafen Montfort Mitte des 16.Jahrhunderts als Argenhauptwehr errichtete Mühlkanal zog kleineres Gewerbe an. Gasthäuser kamen und gingen: 1848 kam es zur Zwangsversteigerung von „Hirsch“, „Kreuz“ und „Krone“.

Es war an diesem regnerischen Samstagnachmittag ein Parforceritt durch das „lange Jahrhundert“. Vieles kannte die historisch interessierte Zuhörerschaft sicherlich- und trotzdem sind solche Vorträge immer wieder anregend. Zukunft braucht Herkunft, sonst ist man nicht achtsam bei der Fortentwicklung des Ortes.

Allerdings sollte der Veranstaltungsraum doch in Zukunft größer sein. Vermutlich stand der Münzhof wegen der Abendveranstaltung gestern nicht zur Verfügung.

Weiterführendes: Hier und hier. Die Schätze , die im Archiv der Gemeinde schlummern, finden Sie hier. Zum Fremdenverkehr lesen Sie hier: „Versäume ja Langenargen nicht!“

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