Museum Langenargen und Kavalierhaus
Man kann kaum glauben, was das Museum Langenargen in dieser Saison so alles in den seinen Räumen untergebracht hat! (vgl. hier) Nicht zu vergessen die Ausstellung „Kunstpark am See“( hier) unter freiem Himmel. Auch Teile der Ausstellung Schlosspark und Zitronengässle sind dort zu sehen. Und last not least nicht die Exponate eines Kurses unter der Leitung der Langenargener Künstlerin Annette Weber.

Nun also noch die Finissage der diesjährigen Stipendiatin im Kavalierhaus Hannah J.Kohler, die ihre Arbeiten in einer Dialogführung mit Dr. Ralf-Michael Fischer am vergangenen Sonntag im Museum zeigte. Unter dem Titel „ That’s pure prejudice“ (Pures Vorurteil) hatten sich in den oberen Saal des Museums kleine Polaroid-Bilder hineingeschmuggelt. Sie wurden dort ganz bewusst platziert, um passend zum Thema von Wolfgang Henning’s großen Bildern, Flucht und Asyl zu thematisieren. Er hatte in der Vergangenheit in Leutkirch mit Geflüchteten gearbeitet.
Es geht bei Hannah J.Kohlers Bildern und Texten um Menschen, die in ihrem Umfeld Vorurteile gegen sich und andere wahrnehmen. Die Texte wurden nach Gesprächen mit Menschen auf der Straße zusammengefasst. Es ist ein Projekt, das Hannah J. Kohler in Stuttgart vor Jahren auf der Königsstraße begonnen und mit Menschen hier in LA fortgesetzt hat. Zwar haben auch einige Einheimische und Sommerfrischler über ihre Erfahrungen am Ort berichtet, aber wohl eher zurückhaltender. Hannah J. Kohler hat sich in ihrer Arbeit von dem sog. Halo-Effekt aus der Sozialpsychologie leiten lassen. Etwas zwischen einer positiven oder negativen Verzerrung, der die Wahrnehmung des Gegenübers beeinflusst. Der positive Heiligenschein-Effekt oder der negative Teufelshörner-Effekt.

Ein Selbstporträt von HannahJ Kohler – ihr erstes, so sagt sie-findet man neben dem Selbstporträt von Ernst Henning


In gleicher Pose mit der Hand in der Hosentasche steht sie dort, die Kamera sichtbar und in Anlehnung an das Porträt von Ernst Henning mit einem Damenkörper -seine irrtümlich vermutete Muse-hinter der Kamera. Ihre Muse ist ihre Kamera und ihr Körper.
Diese Aufnahmen sind sehr aufwändig erstellt: Es sind tatsächlich Selbstbildnisse. Es gibt keinen Fotografen hinterher Kamera. Auslöser ist sie selbst. Manchmal, so sagt Hannah J.Kohler, brauche sie 100 Bilder, um ein zufrieden stellendes Bild zu schaffen.
Auch das Bildnis im Dialog mit Elisabeth Wittenstein im Pelz von Hans Purrmann ist so entstanden: Allerdings schmückt Hannah J. Kohlers Schultern kein Pelz, sondern ein Handtuch, darunter ein sommerlicher Badeanzug!


Die Finissage-Gesellschaft wanderte schließlich bei heftigstem Sturm ins Atelier der Künstlerin im Kavalierhaus. Sozusagen rein geweht mit einer Windböe sah sich die Besuchergruppe vor den Ergebnissen künstlerischen Schaffens in den Monaten ihres Stipendiums. Wer glaubte vielleicht hier Hilfspersonal hinter einer Kamera zu finden, wurde enttäuscht.
Nein, diese Fotografien, die unter akrobatischen Verrenkungen entstanden sein müssen, sind das Ergebnis einer „One-Woman-Show“ im Licht und Schatten ihrer selbst.


Die großen Bilder, auf Lastwagenplane fixiert, zeigen eine Montage aus mehreren Bildern, die in ihrer Aktualität berühren: Die Damen im Wasser schwimmen im Toten Meer, im Hintergrund Teile des Atlantikwalls.(vgl.hier) Irgend jemand hat die Frage gestellt, ob die Künstlerin wohl politisch sei. . . .


Die Installation in Anlehnung an das Gemälde Floß der Medusa des französischen Romantikers Jean-Louis André Théodore Géricault, das einen Vorfall aus dem Jahr 1816 aufgreift, bei dem 137 Seeleute ums Leben kamen, muss man in Ruhe betrachten. Man findet sie in einem Nebenraum des Ateliers: Frauen, die auf einem imaginären Floß sitzen. Viele Menschen, aber jede einzelne ist ein Selbstbildnis der Künstlerin. Sorgfältig zusammengesetzt zu einem neuen Bild.


Und dann ist da noch der Sündenfall( Komplettes Bild vgl.hier). Nach dem Motto ” Bite the bullet”- in den sauren Apfel beißen? So die deutsche Übersetzung.

Ein Raum für drei Monate, der scheinbar mit vielen Personen gefüllt wurde. Dabei entstand alles aus einer Hand vor und hinter der Kamera.

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