Vom bösen und schönen Schein

Es gibt den Begriff des „schönen Scheins“. Vielleicht kennen Sie den. Er steht für etwas Geschöntes, das besser ist als die Wirklichkeit. Aber es gibt auch den „bösen Schein“. Er ist ein wichtiger Begriff, wenn es um die Befangenheit z.B. von Richtern geht. Er findet sich ebenso im Zusammenhang mit Befangenheit in der Politik. Natürlich auch in der Kommunalpolitik.
In der Gemeindeverwaltungsordnung BW (GemO) ist es der § 18, der den Ausschluss eines Gemeinderates wegen Befangenheit behandelt. Hier ein Auszug:
Gemeindeordnung für Baden-Württemberg
(Gemeindeordnung – GemO)
in der Fassung vom 24. Juli 2000
§ 18
Ausschluss wegen Befangenheit
- Der ehrenamtlich tätige Bürger darf weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst oder folgenden Personen einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann:dem Ehegatten oder dem Lebenspartner nach §1 des Lebenspatnerschaftsgesetzes,
- einem in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad Verwandten,3.
- einem in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad Verschwägerten oder als verschwägert Geltenden, solange die die Schwägerschaft begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nach §1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes besteht, oder
- einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person.
Dazu gibt es einen Kommentar für die besonders Interessierten:
Dort heißt es in der in der Verwaltungsvorschrift (VwV) im Kommentar zur Gemeindeordnung ( Aker, Hafner, Notheis 2 Aufl. 2019 , Boorberg Verlag unter Nr.1 S. 212 , nur in Buchform, nicht zu verlinken)

Immer dieses Buch !
„Die Befangenheitsvorschriften dienen der Sauberkeit der Gemeindeverwaltung. Sie sollen Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit der Gemeindeverwaltung und zugleich deren Ansehen in der Öffentlichkeit sichern.( . . .)Die Befangenheitsvorschriften knüpfen an äußere Tatbestandsmerkmale an und unterstellen eine daraus folgende Interessenkollision. Es kommt danach nicht darauf an, ob tatsächlich eine solche Interessenkollision gegeben ist ; es genügt die Möglichkeit. Zweck der Befangenheitsvorschriften ist es, nicht erst die tatsächliche Interessenkollision, sondern schon den bösen Schein zu vermeiden.“ (Aker, Hafner, Notheis, ibid.)
In der Gemeinderatssitzung von letztem Montag hatte sich Gemeinderat Vögele (CDU) bekanntermaßen nur zu dem Unterpunkt 2 des Beschlussvorschlages der Gemeindeverwaltung, der die Vergabe an das Planungsbüro Kienzle, Vögele ( sein Bruder), Blasberg vorschlägt, als befangen erklärt. Erstaunlicherweise galt seine Befangenheit nicht für den gesamten Tagesordnungspunkt. Hier und hier auf AGORA nachlesbar.
§ 18 dient, so heißt die Wendung im oben angeführten Kommentar auf S. 232, „ der Sauberkeit der Verwaltung.“
Diese Sauberkeit fällt bei uns scheinbar unter den „schönen Schein“.
Sie ist geschönt, sie bewirkt nicht wirklich überall wenigstens Besenreinheit. Einen schalen Beigeschmack hat sie auch noch, nämlich das berühmte „Geschmäckle“. Denn warum hat die Gemeindeverwaltung zusammen mit der CDU und Teilen der Freien Wähler so sehr auf dem Vorschlag ohne Wettbewerb bestanden? Der Zeitfaktor dürfte eine untergeordnete Rolle spielen, wenn man seitens der Verwaltung noch nicht einmal Kontakt mit der Firma Fränkel hat und seit 2013 keine Aktivitäten mehr zum Projekt Gräbenen VI stattfanden. AGORA berichtete hier. Schon 2017 zur Zeit des Bürgerentscheides haben Eigentümer berichtet, dass keine Gespräche mit ihnen geführt wurden. Im Flyer der Architektenkammer werden die Vorteile eines Wettbewerbes genannt, der Aspekt Zeitverlust spielt gar keine Rolle. Warum dann die Aversion gegen einen Wettbewerb. . . ?
Also bitte regelmäßige Kehrwoche für die Sauberkeit unserer Verwaltung, damit der Schein nicht trügt!

Damit ist nach einer Woche Berichterstattung zur Gemeinderatssitzung das Thema zunächst für AGORA beendet.
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