trifft Qualitätsjournalismus?

Es war immer schon schwierig, den Begriff „Qualitätsjournalimus“ zu definieren. Er wird inflationär verwendet. Gern benutzten ihn die großen Zeitungen. Wir erinnern uns an die Aktion der südwestdeutschen Zeitungsverleger VSZV von November 2019, als alle Tageszeitungen mit der gleichen Schlagzeile auf der Titelseite erschienen: „Die beste Zeit für guten Journalismus ist jetzt“.
Was heißt denn gut? Die lokale Berichterstattung mit großem Bildformat über lokale gastronomische Errungenschaften, z.B dem Noliplatz „sozusagen ein Platz in Langenargen für Langenargener“, an dem auch „Gäste von außerhalb“ begrüßt werden dürfen?
Oder die persönliche Geschichte der glücklich Corona-Genesenden, deren Konterfei zwar nicht geschwärzt wurde, jedoch scheinanonymisiert von hinten abgelichtet wurde? Oder ein Bericht über den Campingplatz in Gohren, der eher in einer Campingfachzeitschrift seinen Platz hätte finden sollen? Mit „Qualitiätsjournalimus“ scheint bei uns eher „Quantitiätsjournalismus” gemeint zu sein:
Oft ist alles doppelt nachlesbar, nämlich auch im Montfortboten aus demselben Schwäbisch Media Verlag, der jetzt auch die Kleine Seepost in Kressbronn übernehmen wird. Doppelt heißt nicht vielfältig. Seit der gestrigen Sitzung des Gemeinderates werden wenigstens nach einem Antrag der Offenen Grünen Liste in Zukunft wieder Leserbriefe im Montfortboten erlaubt sein.
Aber ist das alles, was guten Journalismus ausmacht? Werden damit die AbonnentenInen an die Printausgabe nachhaltig gebunden? Es ist auffällig, dass seit einigen Tagen die einzelnen Orte am See in der Schwäbischen Zeitung nur noch unter der Überschrift „Bodenseekreis“ zu finden sind.
Mit einem anderen Bereich im Blätterwald hat sich Jan Böhmermann am letzten Freitag in seiner Sendung ZDF Magazin Royale beschäftigt. Er rechnet mit der Regenbogenpresse ab und verbindet in gewohnter Manier Satire mit Aufklärung. Oder Hätten Sie gewusst, dass die bunten Blättchen mehr als 3 Millionen LeserInnen pro Woche erreichen? Er nennt es „Quantitätsjournalismus“. Als besondere Idee hat er sein eigenes Freizeit Magazin Royale drucken lassen. Die Online-Ausgabe ist in Teilen geschwärzt, die Printausgabe ungeschwärzt am Kiosk wohl schon ausverkauft. Man kann sie jedoch bestellen.
Weiterführende Lektüre zur Glitzerwelt des „Quantitätsjournalismus“ hier.
Warum es Qualitätsjournalismus nur geben kann, wenn Journalisten gut bezahlt werden, lesen Sie hier.
Die Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen finden Sie hier. Die Lage der Pressefreiheit in Deutschland wurde dort nur noch als zufriedenstellend eingeschätzt. Im vergangenen Jahr gab es 65 sicher dokumentierte Angriffe vor allem auf Corona-Demonstrationen gegen Journalisten, fünfmal so viele wie 2019. Daher wurde von Rang 11 auf Rang 13 herabgestuft.
Aktualisierung: 21.4.2021,8.39 Uhr
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