Abwärtsspirale

Rotbuche

Offen und transparent wurde die Diskussion gestern im Gemeinderat zu dem sensiblen Thema Rotbuche in der Kirchstraße geführt. Der Gutachter, der das Baumgutachten erstellt hatte, Andreas Detter von der Firma Treeconsult, war per Video zugeschaltet. So konnten die Mitglieder des Gemeinderates bei dem hoch emotionalen Punkt in der Sitzung Fragen an ihn richten. Davon wurde reichlich Gebrauch gemacht. Das Gutachten selbst ist für die Bürgerschaft öffentlich hier in den Sitzungsvorlagen einzusehen. Es soll an dieser Stelle nicht auf jede Einzelheit eingegangen werden. Das Gutachten liefert allerdings interessante Einblicke in die hoch anspruchsvolle Arbeit der Baumpflege und Arboristik.

Zuschaltung: Andreas Detter von Treeconsult

Einiges aus der Diskussion muss jedoch erwähnt werden: 

Detter stellte klar, dass es sich bei dem jüngst erfolgten Kronenrückschnitt (keine Kappung) sozusagen um eine Notoperation gehandelt habe. Es sei eine Maßnahme zur Zeitgewinnung, die die Sicherheit des Baumes bis zur Entscheidung über sein Schicksal überbrücke. Es geht also um eine Fällung im doppelten Sinne: um eine Baumfällung und eine Entscheidungsfällung durch den Gemeinderat. So stellte es sich für den Zuhörer dar.

Man wollte keine Tatsachen schaffen, bevor nicht ausführlich der Gemeinderat und die Öffentlichkeit informiert wurde. Das führte auch der anwesende Vertreter der Lindauer Baumpflege Markus Zetzmann aus. Wie bereits im Gutachten erläutert (S.28) wird von einer Verschlechterung des Zustandes der Buche ausgegangen. Der Ausdruck „Abwärtsspirale”fiel. Im Augenblick sei er zwar verkehrssicher, allerdings sei eine regelmäßige (alle 6 Monate) visuelle Kontrolle in den nächsten 2 Jahren nötig. Nur für diese 24 Monate sei die so kontrollierte Sicherheit des Baumes zu prognostizieren.

Eine entscheidende Frage stellte Gemeiderätin Köhle (Offene Grüne Liste, OGL): „Was ist denn seit dem letzten Gutachten von 2015 passiert?“ Auch Gemeinderätin Falch (OGL) hatte dies zuvor den Gutachter gefragt. Zetzmann antwortete und erklärte: „Wir machen nur das, wofür wir beauftragt wurden.“ Die Diskussion entwickelte sich weiter. Schließlich machte der Fraktionsvorsitzende Terwart (CDU) den Vorschlag, mit dem Zeitaufschub von 2 Jahren an anderer Stelle einen Baum-Nachfolger zu pflanzen, den man dann nach der Fällung der Buche an jetzigen Stelle später einpflanzt. Es wurde seitens des Gutachters Detter deutlich gemacht, dass dafür das Baumquartier entsprechend vorbereitet werden müsse. Auch das jetzige Quartier sei so nicht dazu geeignet, die Buche für die nächsten 2 Jahre zu versorgen.

Gemeinderat Lemp von den Freien Wählern (FW) fragte nach den Kosten, die für die Vorbereitung der Neupflanzung an der Stelle zu erwarten seien. Die Lindauer Baumpflege nannte eine Zahl von 50000 Euro. Der größte Teil der Kosten entstünde dabei durch den Tiefbau, die den Boden für den alten und neuen Baum vorbereiten müsse.

Gemeinderat Terwart (CDU) schlug einen Antrag vor, die Buche unter der beschriebenen Kontrolle 2 Jahre stehen zu lassen. Bürgermeister Münder plädierte schließlich für eine Wiedervorlage seitens der Verwaltung, die ein Konzept zum Standort der Buche, einer Ersatzpflanzung und den finanziellen Rahmen dafür liefern solle. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.

Einschätzung:

Es ist offensichtlich für die Rotbuche zu spät. Eine Rettung scheint nicht möglich und wird im Gutachten nicht empfohlen. Lediglich eine Verzögerung der Fällung. Das tut weh, wenn man nun weiß, dass in dem Gutachten von 2015 die Maßnahmen, die damals möglicherweise die Rettung gebracht hätten, nicht durchgeführt wurden, wenn man nun weiß, dass dieser Baum, buchstäblich verdurstetet und erstickt ist, weil sich niemand gekümmert hat. Ja, man hat sogar während der Bauarbeiten am gegenüberliegenden Haus laut Gemeinderätin Köhle (OGL)noch nicht einmal auf eine Verschalung des Stammes zum Schutz vor den Baugeräten geachtet. Aber woher soll in dieser Steinwüste denn überhaupt die Sensibilität für Grünes entwickelt werden? Noch etwas: Die Äußerung der Lindauer Baumpflege. „Wir machen nur etwas, wofür wir beauftragt werden“, ist zwar ökonomisch nachvollziehbar, aber ökologisch wenig durchsetzungsstark und verantwortungsvoll. Hat das Ortsbauamt in der Angelegenheit den Kopf in den Sand gesteckt? Das Umfeld dort ist nichts anderes als ein großer, genehmigter Schottergarten.

Das darf in Zukunft nicht mehr passieren. So ein alter Baum darf sein Leben nicht als gestrauchelter Überlebenskünstler in einer zugepflasterten Erde beenden. Alle haben zugeschaut, aber selbst die Kanne Wasser aus einer fürsorglichen Nachbarschaft hätte keine Linderung gebracht. Das Wasser hätte die Wurzel nicht erreicht. Sie meinen vielleicht, wir haben doch demnächst 1000 geförderte Bäume. Aber die müssen in Zukunft auch gepflegt werden. Ob sie je so alt werden wie diese Blutbuche?

Ein Baum am Ufer zwischen Kressbronn und Nonnenhorn

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