Der Führer ist im Ort angekommen
Es scheint kaum ein Saal groß genug, um die vielen interessierten Menschen am Vortrag von Archivar Andreas Fuchs auf Sitzplätzen unterzubringen. Diesmal konnten im Münzhof jedoch schnell zusätzliche Reihen aufgestuhlt werden, so dass niemand stehen musste.
Um den inhaltlichen Anschluss zu bekommen, sei an den ersten Vortrag mit dem Titel „ Langenargens Weg ins ,Dritte Reich’“ hier erinnert. Auch die neue Chronik beschäftigt sich in einem Kapitel mit diesem Zeitabschnitt. ( Kap.1.6 ff.) Daher sollen an dieser Stelle nur einige Ereignisse aus dem fast 2- stündigen Vortrag herausgegriffen werden.
Es war 1933, als wie in ganz Deutschland in LA die Demokratie mit den Mitteln der Demokratie abgeschafft wurde.(vgl. hier: Goebbels, Joseph: Die Dummheit der Demokratie, in: Der Angriff. Aufsätze aus der Kampfzeit, von Joseph Goebbels, hrsg. von Hans Schwarz van Berk, München 1935, S. 61): „Es wird immer einer der besten Witze der Demokratie bleiben, dass sie ihren Todfeinden die Mittel selbst stellte, durch die sie vernichtet wurde.“ Nach den letzten demokratischen Wahlen im März 1933 war es dann auch in Langenargen so weit. Die NSDAP wurde mit 45% der Stimmen stärkste Partei in Langenargen. Das Zentrum fiel auf 37,9% zurück, die SPD erreichte 7, 9% und die KPD erlangte 4,7% der Stimmen.
Andreas Fuchs nahm seine Zuhörerschaft mit in das Jahr 1934 und beschrieb die politischen Gleichschaltung im Ort. So gab es gab Bilder über den Aufbau einer kräftigen und gesunden Jugend, die dem Menschenbild der NS-Ideologie durch sportliche „ Ertüchtigung“ entsprach.
Die nationalsozialistische Massenorganisation „ Kraft durch Freude“ (KdF) lieferte als größter Reiseveranstalter ein Drittel der 73 000 Übernachtungen.
Selbst mit Beginn des Krieges und danach 1942 riss der Urlauberansturm nicht ab. Die Aufenthaltszeiten wurden auf maximal drei Wochen beschränkt. Nur Juden waren bereits seit 1938 ausgeschlossen.
1940 wird die Gemeinde Langenargen Schlossbesitzerin. Für 225 000 RM konnte zunächst der Verein „Gemeinschaft für Volkstum“ das Schloss erwerben und es wird damit zum öffentlichen Eigentum.
Doch die Idylle trügt: Durch die Gleichschaltung im Sinne des Regimes, das dem Personenkult huldigte wurden Straßennamen (z.B. die Schulstraße in Hermann-Göring-Straße) geändert. Während im Zuge des Krieges 502 Männer aus Langenargen eingezogen wurden und es auch Gefallene gab, wurden in den Betrieben die fehlenden Männer durch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ersetzt.
Als sich die Langenargener Bauerntochter, Paula Linder, mit dem polnischen Zwangsarbeiter, Wladislaw Lenda (*31.5.1908 in Rudi /Polen), einließ, wurde er am 28.10.1941 ohne Gerichtsverfahren bei Mückle von Angehörigen der Gestapo Friedrichshafen gehängt. Seinen Körper überließ man der Anatomie in Tübingen (zu den Polengesetzen vgl. hier). Paula Linder wurde zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Zuvor fuhr man sie mit einem Heuwagen durch Oberdorf, nachdem man ihr Zöpfe abgeschnitten hatte. „Missfallensäußerungen der Umherstehenden“ sollen sie begleitet haben, so der Chronist. Dieses Ereignis verarbeitete die Langenargener Künstlerin Annette Weber ( vgl.hier) mit ihrem Bild „angekommen LA 1250“.
Auch das Thema „Gnadentod für lebensunwertes Leben“, die Vergasung von den Geschwistern Elisabet und Theodor Weith als „Balastexistenzen“ (Was für ein Wort!) aus Langenargen in der Tötungsanstalt in Grafeneck wurde nicht ausgelassen.
Das Schicksal von Emil Hans Bartsch ist durch die Erinnerungsinschrift am Wasserturm bekannt. Er wurde durch die Gestapo die Tage vor dem Einmarsch der Franzosen im Bürgerwald hingerichtet. Auch dieses Ereignis hat Annette Weber in einem Bild thematisiert.( vgl. hier) Emil Hans Bartsch wurde im April 1945 im Auftrag von SS-Hauptsturmführer Walter Schurer erschossen. 1985 wurde dieser vor das Schwurgericht in Ravensburg, 40 Jahre nach der Tat, gestellt. Das Verfahren wurde aufgrund des Straffreiheitsgesetzes von 1954 eingestellt.
Hatte die Firma Kauffmann 1941 noch den „ Ehrentitel“ „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“ erhalten, brauchte Eugen Kauffmann zur Entnazifizierung nach dem Krieg Unterstützung aus Amerika. Der jüdische Unternehmer Straus aus Mannheim erklärte aus seinem Exil den Verkauf seiner Mannheimer Bettfedernfabrik an Eugen Kauffmann unter Wert mit den damaligen Gesetzen „aufgrund des ungesetzlichen Vorgehens des Hitler-Regimes“. Er betont so das korrekte Verhalten von Kauffmann.
Ein Ausblick in die Aufarbeitung dieser dunklen Zeit in Langenargen: Die Entnazifizierung nach dem Krieg durch die sogenannten „Persilscheine“. ( Zu den Spruchkammerverfahren vgl. hier) Andreas Fuchs spricht von der Aufarbeitung der NS- Zwangsherrschaft mittels „Butter, Kaffee und Zigaretten“.
Abschließend erinnerte Andreas Fuchs an die Worte von Richard von Weizsäcker zum 40-jährigen Kriegsende am 8. Mai 1985 in der Retrospektive: „ Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung “. Eine Einschätzung als Folge eines Entwicklungsprozesses.
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