Kein Schloss für alle

Exklusion statt Inklusion

Es wird keinen Fahrstuhl im Schloss geben. Aber der Reihe nach. Es beginnt so: Der Gemeinderat nimmt zur Kenntnis: Das Konzept zur Errichtung eines barrierefreien Zugangs durch Errichtung eines Aufzuges im bestehenden Treppenraum, sowie Anpassung der Zufahrtssituation und Errichtung einer Eingangsloggia und der ersten baulichen Maßnahmen zum Brandschutz. Hier. (TOP5,Punkt 1). Dies geschah noch einstimmig.

Architekt Albrecht Weber erläuterte in seinem Kurzreferat die wichtigsten Überlegungen zum Aufzug. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte es dazu eine Ortsbesichtigung hier gegeben. Schwerpunkt seiner Darstellung:

Die Einschätzung der Landesdenkmalbehörde (LAD)zum Einbau des Aufzuges, der die Barrierefreiheit in alle Stockwerke betrifft.  (vgl. hier TOP 5)  

Mit der Äußerung des Fraktionsvorsitzenden Terwart (CDU), dass für ihn der Aufzug nicht ins Schloss passe, trat man dann in die eigentliche Diskussion ein. Gemeinderätin Falch ( OGL) deutete an, dass der Eindruck entstehe, der Aufzug sei alternativlos. Gemeinderat Kraus (OGL) widersprach und wies darauf hin, dass es mehre Lösungen gebe, von Alternativlosigkeit könne man nicht sprechen. Viel mehr gebe es zwei Möglichkeiten: Schönheit: ja oder nein. Oder eine wertige Inklusion. Zu beachten sei, dass es dabei nicht nur um die erste Etage gehe.

Ortsbegehung: Foto vom letzten Jahr: 6 Stufen sind zu überwinden

Es wurden die Argumente ausgetauscht:

Barrierefreiheit könne man nicht überall gewährleisten, auch das Museum sei schließlich nicht barrierefrei. GR Brugger(FWV) verwies auf die hohen Kosten. Der Kämmerer beruhigte: Die Steuerertragslage sei ganz gut. Schließlich stimmten nur die Gemeinderäte Kraus und Ziebart (beide OGL) sowie Bürgermeister Münder für den Beschlussvorschlag 2 zu TOP5, der den Einbau des Fahrstuhles beinhaltete.Für den Einbau der Loggia unter Punkt 3 von TOP5 stimmten GR Ebner (FWV), G-Rätin Köhle (OGL), GR Ziebart (OGL), G-Rätin Falch(OGL),GR Brugger (FWV), GR Bücheler (CDU),GR Vögele (CDU),GR Kraus (OGL), BM Münder. Die ersten baulichen Maßnahmen zum Brandschutz unter Punkt 4, bestehend aus einer Fluchttreppe und einem Brandschutzvorhang wurden einstimmig beschlossen. 

Einschätzung:

Es waren schon schwer zu verdauende Argumente, die im Zusammenhang mit Mitmenschen, die unter körperlichen Einschränkungen leiden, ausgetauscht wurden. So hieß es, man könne nicht alle Zugänge barrierefrei gestalten, das ginge ja beispielsweise auch nicht in unserem Museum. Das ist eine Einstellung, die man in heutiger Zeit nicht mehr hören will. Man muss sich nicht am Schlechten orientieren, zumal das Museum nicht als Konzertsaal genutzt wird. Dort kommen mehr Einzelbesucher, denen sicher auf Dauer mit kleineren Liften zu helfen wäre. Dasselbe gilt für die Bücherei.

Konzertbesucher mit Einschränkungen sind nicht nur Menschen, die einen Rollstuhl oder andere Gehhilfen brauchen. Manchen geht einfach die Puste aus, wenn sie die Treppen erklimmen müssen. Treppen, die bekanntermaßen in den 60-iger des letzten Jahrhunderts nachträglich „wild” eingebaut wurden. So ist dieses Treppenhaus aus der Sicht des Denkmalschutzes nicht so denkmalschutzwürdig wie beispielsweise die neomaurische Fassade. Auch der Vorschlag, die Schlosskonzerte woanders stattfinden zu lassen, ist kaum zu verstehen. Diese hochkarätigen Konzerte zu verlegen, ist nicht annehmbar. Man darf froh sein über diese Veranstaltungsreihe als kulturelles Alleinstellungsmerkmal für Langenargen. Das ist ist ein Markenzeichen, das sich als LANGENARGERER SCHLOSSKONZERTE etabliert hat.Sie werden besonders von älteren Besuchern von außerhalb gerne besucht.

Abgesehen von diesen aus der Zeit gefallenen Argumenten, die Menschen mit körperlichen Einschränkungen nicht am kulturellen Leben teilhaben lassen, scheinen sich manche nicht über die Tragweite der Entscheidung klar zu sein.

Mit dieser Beschlusslage ergeben sich die folgenden Konsequenzen:

Kein barrierefreier Zugang der zukünftigen Bar im UG

Kein barrierefreier Zugang des Behinderten WC im UG

Kein barrierefreier Zugang der zukünftigen Gastronomie im EG

Kein barrierefreier Zugang der Saalnutzung im EG für die Gemeinde

Kein barrierefreier Zugang der dazugehörigen WC-Anlagen im UG und OG

Kein barrierefreier Zugang für eine Konzert-Saalnutzung im OG

Das betrifft die Gemeinde, externe Veranstalter und Pächter. Eine mit dem Landesdenkmalamt erarbeitete Lösung (Glasaufzug im Treppenaufgang mit Eingangsloggia) wurde verworfen und damit eine historische Chance vertan. Ein wirtschaftlicher Betrieb des gesamten Hauses steht nämlich zur Debatte.Er wird erschwert und schließlich eine optimale Inklusion in einem schwierigen Baudenkmal verworfen. Zum Schluss: Es hat in der Diskussion Kritik (Falch/OGL) gegeben, dass es zuvor keine Alternativvorschläge gegeben habe. Alternativvorschläge hat es in der Vergangenheit genug gegeben. (vgl. hier)     

Nachtrag 29.7.2023, 19.36

Die Schwäbische Zeitung schreibt heute hier in einem Beitrag zum ” Nostalgie-Investor”  für unser Schloss. „Das bestehende kulturelle Angebot, wie die Langenargener Schlosskonzerte, seien weiterhin fester Bestandteil”, zitiert ihn Tanja Poimer. Nach der Entscheidung zum Aufzug im Gemeinderat wird man wahrscheinlich über die neue Barriere-Unfreiheit im Schloss Gespräche führen müssen. Nachsitzen?

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