Thüringen und Hanau

Wir haben in Thüringen heute noch mal die Kurve bekommen. Aber es war knapp und genau das schmerzt. Dass es einer so großen Anstrengung bedarf, einer menschenverachtenden Gruppierung, die in den Thüringer Landtag gewählt wurde, entgegentreten zu müssen, tut weh. Denen entgegenzutreten, die eine Wahl zu einem Ministerpräsidenten zum Spielball der Demokratie machten, tut weh. Sich denen in den Weg stellen zu müssen, die als perfide Fallensteller im Parlament agieren, tut weh. Genau deshalb war es richtig, dass der heute neu gewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow einem Faschisten seine Hand nicht reichte. Einem, dem ein Gericht eine faschistische Agenda bestätigte.
Nur so wird deutlich, dass dem Gift des Rassismus, das leider nun schon in so vielen Landesparlamenten verteilt ist, endlich etwas entgegengesetzt werden muss. Gerade an einem Tag, an dem auch die Trauerfeier für die Opfer von Hanau stattfand, ist diese Geste besonders wichtig. Das ist allerdings zu wenig.
Zu wenig an einem Tag, an dem alle fassungslos um die richtigen Worte für die Opfer von Hanau ringen. „Die Opfer von Hanau waren keine Fremden“! Dieser Satz ist über einem Bild mit einer flackernden Kerze auf der Feier zu lesen. Dass er so sichtbar wird, ist wichtig. Aber dieser Satz zeigt leider auch, dass das Gift des Rassismus wirkt, sonst müsste man ihn nicht extra betonen. Wir müssen die beiden Ereignisse des Tages zusammen sehen. Denn das Gift wirkt bereits unter uns. Manch einer hat bereits daran genippt. Noch kennen wir als Mehrheit unsere Lautstärke als Gegengift. Aber wenn wir es nicht einsetzen, werden wir weiter Blumen und Kränze niederlegen und um Worte ringen müssen, weil wir zu leise waren.
Jede Kommune hat ihre sogenannten „Fremden“. Auch wir hier. Es darf nicht sein, dass sie Angst oder wir um sie Angst haben. Kemal Kocak hat in seiner bewegenden Rede bei der Trauerfeier in Hanau heute seine Angst für uns spürbar gemacht.
+++Aktuelle Ergänzung, 5.3.2020, 11.31 Uhr: Aus der heutigen Bundestagssitzung zum Thema Rechtsradikalismus Wolfgangs Schäubles Rede hier+++
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