dorthin, wo es gerade passt?

AGORA hat sich die neue Unterkunft angeschaut, in die vorgestern ohne Vorankündigung die kleine Familie aus Kressbronn “umgesetzt” wurde. Das Zimmer ist etwas größer und soll wohl nur vorübergehend als Aufenthalt dienen. Die Umstände der „Umsetzung“ erscheinen wenig rücksichtsvoll:
Unangekündigt erschien der Integrationsmanager vorgestern Mittag mit einer Mitarbeiterin des Rathauses in der Unterkunft und wies ohne Erklärung die Familie an, innerhalb von 10 Minuten ihre Sachen zu packen. Sie müsste umziehen. Vor dem Haus stand nach Aussage der Betroffenen ein Wagen, der die Habseligkeiten verlud. Sie wussten nicht, wohin die Reise gehen sollte. In der neuen Unterkunft angekommen, fanden sie ein völlig verdrecktes Badezimmer und eine verschmutzte Küche vor. Nach Aussagen der Familie haben sie bis abends die Küche und das Bad, das sie mit anderen teilen, geputzt. Die selbst gekauften Kleiderschränke mussten sie in der ersten Unterkunft zurücklassen.

Diese überstürzte „ Umsetzung“ wäre unnötig gewesen, hätte das Integrationsmanagement die Nöte der Familie mit der hochschwangeren Mutter eher ernst genommen. Es wurden in der Vergangenheit immer wieder Missstände in der alten Unterkunft benannt. Ohne eine offene Kommunikation kommt es dann zu überstürzten Handlungen der Verwaltung wie auch vor kurzem in LA geschehen. Es ist traurig zu sehen, dass Menschen, die sich gut integriert haben, so behandelt werden. Im Fall der Familie in LA, die in die Baracke umgesetzt wurde, haben alle Kinder einen tadellosen Schullebenslauf, sprechen gut Deutsch und sind dabei höhere Schulabschlüsse zu erlangen. Auch mit ihnen wurde über ihre Nöte im Zusammenleben mit der Nachbarschaft nicht gesprochen. Auch sie wurden bis zum Umzugstag über die neue Bleibe nicht informiert. In beiden Fällen sind vulnerable Menschen mit ärztlichen Attesten betroffen.
Der junge werdende Vater hat die Voraussetzung, an einem Gymnasium in FN ab Montag in Oberstufe einzutreten, um sein Abitur zu machen. Er wurde dort aufgenommen.Inzwischen hat die Familie für nächste Woche einen
Besprechungstermin im Rathaus Kressbronn bekommen. Der Brief vom 9.9.2020 ist an das Paar gemeinsam gerichtet. Die Bitte des jungen Mannes, den Termin auf nachmittags zu verlegen, weil er in seiner ersten Schulwoche nicht direkt fehlen will, wurde durch den Integrationsmanager abgelehnt. Der Chat-Verlauf liegt AGORA vor. Sie seien nicht offiziell verheiratet, er müsse nicht mitkommen, es ginge nicht um ihn. Offensichtlich hat der Integrationsmanager noch nichts von einem eheähnlichen Verhältnis gehört.

Jetzt kommt es wieder zu einem Rollenwechsel in der Berichterstattung wie hier beschrieben.
Eine wichtige Erfahrung habe ich selbst als ehrenamtliche Helferin gemacht. Es ist seitens des Integrationsmanagements nicht erwünscht als Beistand bei kritischen Gesprächen die Geflüchteten zu begleiten. Als vor einigen Jahren ( 2016) ein runder Tisch im Zusammenhang mit Übergriffen auf eine andere Familie, die später auch zum eigenen Schutz in die Baracke “umgesetzt” wurde, stattfinden sollte, hat der Integrationsbeauftragte versucht die Teilnahme der Beistände der Familie zu verhindern. Schließlich wurde die Teilnahme eines Beistandes durchgesetzt. Alle waren da, die „gegnerische Seite“ erschien jedoch nicht. Die Umsetzung konnte nicht verhindert werden.
Im letzten Jahr wurde versucht, mir nach 5 Jahren ehrenamtlicher Betreuung die Begleitung eines Familienmitgliedes meiner heute noch betreuten Familie zu verwehren. Die beigebrachte Vollmacht sollte angeblich nicht mehr ausreichend sein. Nach langem Hin und Her wurde sie erneuert, übersetzt, geprüft und mir letztlich im Beisein des Baurechtsleiters(!) aus Oberdorf die gewünschte Einsicht in die Unterlagen gewährt. Es war ein langer Briefverkehr bis hin zum obersten Datenschützer nötig.
Es ist nicht für nur Geflüchtete wichtig, zu wissen, welche Rechte man hat. Es gibt auch andere Menschen, die ohne einen kundigen Beistand, der durch §14 VwVfG geregelt ist, mancher Willkür eines Amtes ausgeliefert sein könnte. Was hier im Bereich Integration geschieht, könnte vielleicht jeden treffen. Nicht nur Geflüchtete sind oft in prekären Situationen. Beide Krisen, die sog.Flüchtlingskrise und die Corona-Krise offenbaren Missstände in vielen gesellschaftlichen Bereichen, die bisher oft im Verborgenen blieben.
Die amtliche Blüte der Willkür scheint hier ebensowenig exotisch wie die Muscheln im See. Oftmals erwecken die “Platzausfüller” der behördlichen Institutionen den Eindruck, Umgangsformen und Vorgehensweisen seien ihnen noch unbekannt. [Machtspielchen und Machtdemonstrationen brauchen nur die unsicheren.] Das träfe wohl nicht nur im Bereich der Migration zu? Die juristische Bringschuld zur formellen und inhaltlichen Einhaltung seitens des öffentlichen Dienstes oder der sogn. Beamten oder von diesen abgesandten oder dienstbefohlenen wird wohl nicht immer erfüllt. Da war doch noch dieses Ding mit der Amtshaftung….. Man beachte, dieses Verhalten könnte sich gegen den “Verletzer”, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, als rechtsstaatlicher Bumerang erweisen. Dies zählt zum einfachen juristischen Handwerkszeug der Staatsanwälte und Richter.
Es ist Herbst und Erntezeit. Zur Zeit wird viel umgesetzt und umgetopft. Der Hopfen wird mal schnell von rechts nach links gelagert. Die Apfelkisten gestapelt und auch mal schnell umgesetzt. Aber Menschen 10 Minuten vor Abfahrt zu informieren und dann “zwangsweise” umzusiedeln…. das scheint gegen die Würde des Menschen. Wenn die ausführenden Menschen [Würden sie es wollen, wenn man ebenso mit ihnen umginge?] Kommunikation nicht gewohnt sein sollten, dann sollte es doch wenigstens im Gefühl liegen, so nicht mit anderen Menschen umgehen zu dürfen. Wenn beides fehlen sollte, dann wäre eine berufliche Neuorientierung eventuell sinnvoll.