CO2 – neutraler Bierkeller
Der Entwurf des Bebauungsplans für das Baugebiet Naturella in Bierkeller wurde am vergangenen Montag einstimmig verabschiedet. Es dürfte ein Vorzeigeprojekt für die Gemeinde Langenargen werden. Das Areal gehört der Firma Fränkel. Das Projekt besticht durch sein nachhaltiges Konzept, das in Zusammenarbeit mit dem Architektenbüro Plösser und dem Büro Planstatt Senner durchgeführt werden soll.
Für das Projekt sprechen die Zahlen: der Prozentsatz der Versiegelung wird dort von 90 % auf 40% reduziert! Jacqueline Egger-Buck, die Vorständin der Firma Fränkel, berichtete, dass man mit diesem Projekt CO2-Neutralität anstrebe. Das Konzept für einzelne Bereiche wie Entwässerung oder Mobiltät findet man in den Sitzungsunterlagen hier. Ein Auszug aus der Begründung der Planung (vgl. Ö6) aus dem Text der Sitzungsvorlagen soll hier direkt zitiert werden, weil sich das dort Beschriebene so bestechend zukunftsorientiert liest:
4.3 Mobilität und (ruhender) Verkehr

“Mit der Zielsetzung einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Mobilitätsausrichtung unter Nutzung alternativer Verkehrsträger und -formen in und um das Plangebiet, wird bewusst von einer etwaigen Stellplatzerhöhung abgesehen. Es gilt die gesetzlich vorgeschriebene Herstel-lung des notwendigen KfZ-Stellplatzes pro Wohneinheit (Stellplatzschlüssel 1,0) gem. § 37 (1) Nr. 1 LBO. Dies erfolgt auch in Orientierung am Bestandsbebauungsplan, der von der Stellplatzsatzung der Gemeinde Langenargen ausgenommen ist.
Das Ziel einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Mobilitätsausrichtung soll mit Hilfe der folgenden konkreten Maßnahmen erreicht werden, die auch aus der o. s. Abbildung ersichtlich sind:
–Förderung Car-Sharing mit Schaffung von ca. 5 Stellplätzen im Plangebiet, schwer- punktmäßig entlang des neuen Erschließungsweges parallel zur Friedrichshafener Straße (Verortung beispielhaft)
–Integration des Plangebiets und seiner Verbindungen in örtliches Fahrradwegenetz / Schaffung umfangreicher Abstellmöglichkeiten (Verortung beispielhaft)
–Gute ÖPNV-Anbindung über direkt südlich angrenzende Bushaltestelle „Langenargen- Bierkeller“ (Ca. stündliche Anbindung wochentags nach Friedrichshafen bzw. Langen- argen (nächstgelegene Bahnhaltestelle) / Kressbronn sowie Tettnang, ca. zweistündliche Anbindung an die genannten Destinationen am Wochenende / Feiertag)
–Ziel der Förderung eines anteiligen sozialen Wohnungsbaus im Plangebiet. (Laut Vorvertragsentwurf bis zu 20% preisgebundener Wohnraum) “( Hervorhebung AGORA-LA)
In der Aussprache lobte Gemeinderätin Köhle (Offene Grüne Liste, OGL) das gesamte Projekt.“ Es ist zeitgemäß und sehr gut geplant.“ Auch die Reduzierung der Stellplätze auf 1 pro Wohneinheit sei zu begrüßen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Terwart, sprach ebenfalls ein großes Lob aus und verwies darauf, eventuell auf dem Gebiet des Schützenhauses Grundstücke zu verkaufen. Gemeinderat Schmid (SPD) fragte nach Lärmschutz, der nach Aussage der Firma Fränkel passiv (am Gebäude, z.B. Fensterverglasung, Verteilung der Schlafzimmer) gewährleistet würde. Auch wollte er wissen, wer bei der Vermietung berücksichtigt werde.
Es würde in erster Linie an Langenargener vemietet, hieß es seitens der Firma Fränkel. Gemeinderat Hanser ( FW) begrüßte das Mobiltätskonzept. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde allerdings das Stellplatzkonzept kritisiert. Gemeinderat Wocher (CDU) gab zu bedenken: Die Struktur der Bevölkerung in LA zeige, dass man eher 3 als 2 Autos abzustellen habe. Der Fraktionvorsitzende der OGL, Ziebart, äußerte seinen Unmut: „Ich bin fassungslos, dass das Projekt so zerredet wird.“ Schließlich wurden nur die Beschlussvorschläge 1 und 2 abgestimmt. Ziffer 3 zu den Stellplätzen wurde nach Abstimmung vertagt.

Einordnung:
Alle sind sich zurecht einig, dass dieses Bauvorhaben in Bierkeller ein Glücksfall für Langenargen ist. Dass jedoch das Thema Stellplätze – ein essentieller Teil des Konzeptes- so rückwärtsgewandt diskutiert wurde, spricht nicht für den Weitblick mancher Diskutanten. Wenn damit argumentiert wird, dass etliche betuchte LangenargenerInnen zum Dritt-Auto tendieren, dann hat man offensichtlich den Schuss nach der Sintflut im Westen des Landes noch immer nicht gehört. Klimaneutral passt nicht zum Drittauto. Außerdem: Wer das dritte Auto vor der Tür stehen hat, kauft Eigentum und mietet nicht. Schon gar nicht preisgebunden.
Apropos mieten: Das Versprechen vornehmlich an Langenargener zu vermieten, klingt gut. Spielen wir das doch mal durch.
Erstens, wer gilt als Langenargener BürgerIn? Jemand, der bisher auf der Gemarkung LA wohnte und jetzt nach Bierkeller ziehen möchte? Oder jemand, der bisher in FN oder Tettnang wohnte, aber per Geburtsurkunde aus LA stammt? Oder gar der „gute Langenargener“, der später noch im Verlauf der Sitzung zu definieren sein sollte? Welche Kriterien gelten hier?
Diejenigen, die bisher in LA wohnten, machen Wohnraum frei. Was wird dann aus den freien Wohnungen, die möglicherweise in einem in die Jahre gekommenen Miethaus angesiedelt sind? Wird diese Immobilie dann wieder an die üblichen Bauunternehmer verkauft, die das dann abreißen? All diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn endlich eine Bedarfserhebung zu fehlendem Wohnraum in LA erstellt wird. AGORA-LA hatte hier dazu bereits geschrieben. Die Firma Wüstenrot, die später auf der Tagesordnung mit ihrem Gemeindeentwicklungsplan stand, hatte dazu inhaltlich eher wenig zu bieten.
Und dann ist da noch das Thema Ferienwohnungen. Die Firma Fränkel war im letzten Oktober in die Schlagzeilen geraten hier im SÜDKURIER. Über Umwege wurden in der Riedleparkstraße doch Ferienwohnungen geschaffen:“Der Neubau der Fränkel AG in der Hofener Straße mit 32 Mietwohnungen ist fertig – genau wie das Haus mit den vier Ferienwohnungen, das ursprünglich Teil des Projekts „Wohn(t)räume“ der Fränkel AG war. Dieses Gebäude (links) an der Riedleparkstraße gehört dem Architekten Manuel Plösser, sagt Vorstand Peter Buck“, schrieb der SÜDKURIER damals.
Das Gebiet in Bierkeller ist als sog. Mischgebiet ausgewiesen. Im oben beschrieben Text heißt es unter Punkt 7. 1. 2 : „ Ebenfalls in Orientierung an den Bestand im Mischgebiet sind Ferienwohnungen sowie sonstige Gewerbebetriebe zugelassen, Betriebe des Beherbergungswesens sind ausnahmsweise zulässig.” ( Hervorhebung AGORA-LA)
Ein durchdachter städtebaulicher Vertrag hilft bei all diesen Überlegungen sicher. Einen solchen Vorvertragsentwurf gibt es anscheinend schon. Wohl gemerkt, das Projekt ist für Langenargen richtungsweisend und erfreulich. Aber manches muss noch bedacht werden.
Ergänzende Lektüre zu den Konsequenzen aus der Sintflut auch für’s Bauen in Deutschland hier.
Eine Sicht der aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hier: „Gegen den Klimawandel helfen keine Sandsäcke” von Heribert Prantl
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