E. Fendi
In der Gemeinderatssitzung am 31. Januar 2022 warb der Architekt Michael Resch für den vom ihm initiierten Einwohnerantrag mit verschiedenen Argumenten, die von der Freien Wähler Vereinigung (FWV) aufgegriffen wurden. Sind die Argumente nachvollziehbar und schlüssig?
Resch und auch die FWV betonen Altersarmut infolge steigender Mieten.
Aus der Sicht der Sozialgesetzgebung liegt dann Altersarmut vor, wenn das verfügbare Einkommen unter dem Sozialhilfesatz zuzüglich angemessener Wohnkosten liegt. Hier. Altersarm ist also jemand, der im Alter nicht über genügend Geld (= ausgabefähiges Einkommen) verfügt.
Das Argument, infolge steigender Mieten drohe Altersarmut, die nur durch Wohneigentum (hier: Bebauung des Mooser Weges) vermieden werden kann, ist nicht valide.
Die Freie Wähler Vereinigung (FWV) weist in diesem Zusammenhang auf eine Studie der Humboldt-Universität Berlin (HUB) hin. Die unter der Überschrift „Housing Expenditures and Income Inequality“ 2018 erschienene Studie untersucht die Entwicklung der „Haushaltsausgaben und Einkommensungleichheit“ zwischen 1993 und 2013. Seit den 1990er Jahren, so die Studie, steigen die Reallöhne am oberen Ende, am Median stagnieren und am unteren Ende sinken sie.
Allein dies hat zur Folge, dass der Anteil der Wohnkosten vom Einkommen für Geringverdiener vergleichsweise höher ist als bei Gutverdienern. Weitere Faktoren: Veränderungen in der Haushaltsstruktur (mehr Einpersonenhaushalte) und der Trend zum Leben in der Großstadt. Dass die Gutverdiener, die Eigentum besitzen, vergleichsweise vermögender geworden sind, wird mit dem seit Mitte der 2000er Jahre gesunkenen Zins für Hypothekendarlehen begründet. In der Diskussion um eine Bebauung des Mooser Weges ist die Studie der HUB nicht hilfreich.
Nebenbei: Der Sozialbericht der Bertelsmann Stiftung zeigt für Langenargen bei einer vergleichsweise hohen Kaufkraft (55 817 Euro pro Haushalt) eine eher niedrige Altersarmut (2%).Hier
Eine weitere Argumentationshilfe ist für die FWV das soeben von Wüstenrot im Auftrag der Gemeinde vorgestellte Gemeindeentwicklungskonzept. Es basiert auf den Daten des Statistischen Landesamtes BW und diagnostiziert in der Analyse eine sinkende Bevölkerungsentwicklung bis 2035 (Seite 14). In der Zusammenfassung (Seite 50) schreibt Wüstenrot unzutreffend oder irrtümlich: „Durch Zuwanderung und Bevölkerungszuwachs steigt der Bedarf nach Wohnraum weiter an“. Die FWV hat diese unzutreffende Aussage einfach übernommen.(vgl.hier)
Aus dem Gemeindeentwicklungskonzept lässt sich eine notwendige Bebauung des Mooser Weges infolge einer Bevölkerungszunahme nicht ableiten. (vgl.hier)

Architekt Resch beziffert die Lebensmiete für eine junge Familie mit 1 Mio. Euro. „Wir hätten es in der Hand, Eigentum günstiger anzubieten“, sagt er und fügt hinzu: „Im Großen und Ganzen alles bis zum Renteneintritt abbezahlt“. Die FWV bestätigt ihn, dass „tatsächlich bezahlbar gebaut werden kann.
Der interessierte Bürger überschlägt – siehe unten – und gelangt zu der Auffassung, dass das Resch-Vorhaben für die besserverdienenden Antragsteller des Einwohnerantrags bezahlbar und für einkommensschwache Familien nicht bezahlbar sein kann. Hat Resch das in Hintergrundgesprächen den Parteien anders vorgerechnet? Die vorgetragene Bezahlbarkeit ist nicht nachvollziehbar.
Resch spricht von einem Exodus („Auszug einer Gesamtheit“) und die FWV bestätigt: „Junge Familien verlassen Langenargen.“Das Statistische Landesamt gibt hierzu Auskunft. Es ziehen junge Familien fort und es ziehen junge Familien zu. In der Alterskohorte 25 – 40 Jahre sind zwischen 2011 und 2020 mehr Personen zu– als weggezogen (+229). Hier .
Die Online-Bürgerbefragung (Gemeindeentwicklungskonzept) nennt verschiedene Gründe (berufliche, persönliche sowie Ausstattung der Wohnung) für einen Fortzug aus Langenargen. Siehe unten. Das Argument Exodus/Fortzug junger Familien ist grundsätzlich nicht valide und nicht signifikant.
FWV: Durch die Bebauung des Mooser Weges könnte „die Preisspirale … nach oben unterbrochen werden“. Eine Preisspirale nach oben kann nur durch ein langanhaltendes Überangebot korrigiert werden. Das Argument „Preisspirale unterbrechen“ ist nicht nachvollziehbar.
Schließlich bemüht die FWV den Koalitionsvertrag der Ampelregierung in Bezug auf bezahlbares Wohnen:
„Wir wollen mehr Menschen in Deutschland ermöglichen, im selbstgenutzten Eigentum zu wohnen. Die Hürden beim Eigentumserwerb wollen wir durch eigenkapitalersetzende Darlehen senken und Schwellenhaushalte langfristig z.B. mit Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen beim Eigentumserwerb unterstützen.“ Hier (S.93)
Nur wenn die Antragsteller des Einwohnerantrags und deren AnhängerInnen mehrheitlich einkommensschwach sind, dann ist das Argument „Koalitionsvertrag für bezahlbares Bauen“ nachvollziehbar.
Konklusion:
Die Mehrzahl der vorgetragenen Argumente zur Bebauung des Mooser Weges sind nicht nachvollziehbar und nicht schlüssig.
Nachsatz:
Die CDU hat sich im Wesentlichen der Argumentationskette der FWV angeschlossen.

Anhang:
Überschlagskalkulation (quick and dirty):
Investition zwischen 900 000 und 700 000 Euro, 10% Eigenkapital, junge Familie 30 Jahre alt, Renteneintritt mit 67 Jahren, Laufzeit 38 Jahre, niedriger Zins über die gesamte Laufzeit (1,5% p.a.), ergibt eine Belastung zwischen 2 343 und 1 820 Euro pro Monat, entsprechend 28 120 bzw. 21 850 Euro im Jahr.
Soll das Darlehen nach 25 Jahren zurückgeführt sein, dann steigt die jährliche Belastung auf rund 39 000 Euro (bei 900 000 Euro Investition) an.
Kann das eine einkommensschwache Familie stemmen? 90 000 Euro Eigenkapital und eine monatliche Belastung von 2 343 Euro oder mehr für „Wohnen“ ohne Energie- und Instandhaltungskosten?
Das Statistische Landesamt gibt Auskunft über durchschnittliche Einkommen in BW (für 2018):
Durchschnittliches Haushaltsbruttoeinkommen in BW: 5 576 Euro pro Monat
Durchschnittliches ausgabefähiges Einkommen in BW: 4 217 Euro pro Monat
Werden davon 2 343 Euro für Wohnen ohne Energie und Instandhaltung abgezogen, verbleiben etwa 1 900 Euro monatlich für den privaten Konsum, was für durchschnittlich Verdienende, auch in der besserverdienenden Bodenseeregion, sehr sportlich wird.
Online Bürgerbefragung im Rahmen des Gemeindeentwicklungskonzeptes:
Von den Teilnehmenden gaben ca. 93 % an, dass sie nicht aus Langenargen wegziehen möchten. 20 Befragte haben Umzugsabsichten und nennen dafür berufliche Gründe (7 Befragte), persönliche Gründe (5 Befragte) und den Grund, dass die Wohnung nicht mehr den Ansprüchen genügt (8 Befragte). Siehe Seite 69.
Hinweis auf einen Beitrag von AGORA-LA zum Verkauf von gemeindlichen Vermögensgegenständen hier.
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